Flüchtlinge:Thailand überstellt Uiguren nach China, zum Ärger der USA

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Festgenommene Uiguren in Thailand 2014. 48 der geflüchteten Uiguren wurden jüngst nach China überstellt. (Foto: Andrew RC Marshall/Reuters)

Bangkok schickt überraschend geflüchtete Uiguren nach China zurück, die USA verhängen daraufhin Sanktionen gegen die thailändische Regierung. Für die ist das Ganze ziemlich peinlich.

Von David Pfeifer, Bangkok

Wie schnell sich die Kräfte auf der Welt verschieben, und wie brutal Einzelne ins Räderwerk geraten können, zeigt sich am Beispiel der Uiguren, die vor drei Wochen aus Thailand nach China geschickt wurden. In ein Land also, aus dem sie geflohen waren, weil sie dort zu einer verfolgten Minderheit gehören, die in der westlichen Region Xinjiang etwa zehn Millionen Menschen zählt. 48 von ihnen hatten es bis nach Thailand geschafft, das offiziell eine Demokratie ist und seit vergangenem Jahr nach langem Bemühen sogar einen Sitz im Menschenrechtsrat der Vereinten Nation hält. Genützt hat es ihnen nichts.

Ende Februar zeigten Medienberichte mehrere Lastwagen mit schwarz abgeklebten Fenstern, die das Einwanderungszentrum in Bangkok verließen, in dem die Uiguren festgehalten wurden. Sie gehörten zu einer Gruppe von 300 Flüchtlingen, die bereits 2014 verhaftet worden waren. Einige schickte man direkt zurück nach China, andere in die Türkei, während die übrigen im thailändischen Gewahrsam blieben.

Die Sanktionen beziehen sich vermutlich auch auf die Premierministerin und etliche Minister

Diese 48 verließen nun mehr als zehn Jahre später, am 27. Februar um 4.48 Uhr morgens, mit einem außerplanmäßigen Flug der China Southern Airlines den Flughafen Don Mueang. Sechs Stunden später landeten sie in Kashgar in der chinesischen Region Xinjiang, wie der Tracker Flightradar24 zeigte.

Es dauerte eine Weile, bis die Aufregung darüber am anderen Ende der Welt ankam. Nun hat US-Außenminister Marco Rubio am vergangenen Freitag Sanktionen gegen hohe thailändische Beamte wegen ihrer Rolle bei der Abschiebung ausgesprochen. Die USA wollten damit „Chinas Bemühungen bekämpfen, Regierungen unter Druck zu setzen, um Uiguren und andere Gruppen gewaltsam nach China abzuschieben, wo sie gefoltert werden und verschwinden“. Thailand laufe Gefahr, seine internationalen Verpflichtungen gemäß der Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter zu verletzen. Das ist für die Regierung in Bangkok mindestens peinlich.

Die Sanktionen, die unter anderem Visa-Beschränkungen mit sich bringen, beziehen sich vermutlich sogar auf die thailändische Premierministerin Paetongtarn Shinawatra sowie auf den Armee-Chef, den Verteidigungsminister, die Innen- und Außenminister und noch weitere Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates.

Die Antwort des thailändischen Außenministeriums fiel am Wochenende auffallend kleinlaut aus: Die Regierung habe die Ankündigung zur Kenntnis genommen, man habe aber „Versicherungen der chinesischen Regierung erhalten, dass man sich um das Wohlsein der Uiguren kümmere“, man würde weiter die lange Tradition der humanitären Hilfe pflegen und sich um Flüchtlinge kümmern. Gleichzeitig wurden die „engen Beziehungen“ mit den USA beschworen.

Die Uiguren waren 2014 geflohen – wieso liefert Bangkok sie gerade jetzt aus?

In dieser Meldung verdichtete sich das Dilemma, in dem man in Bangkok steckt. Denn einerseits sind die Beziehungen zu den USA tatsächlich gut, seitdem Thailand sich im Vietnam-Krieg vor 50 Jahren als Erholungs- und Nachschub-Station für die US-Armee anbot. Andererseits will man den übermächtigen Nachbarn China nicht verärgern, von dem man wirtschaftlich abhängig ist, der aber obendrein derzeit als der verlässlichere weltpolitische Partner erscheint, seitdem die neue US-Administration mit allen alten Traditionen bricht. Marco Rubio gilt in dieser Regierung als Falke, was den Umgang mit Peking angeht, war aber bereits als US-Senator ein Unterstützer der Uiguren.

Es bleibt die Frage, warum die Regierung in Bangkok ausgerechnet jetzt die 48 Uiguren abschieben musste, obwohl Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen davor gewarnt hatten, dass ihnen bei einer Rückführung Folter, Misshandlung und „irreparabler Schaden“ drohen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete außerdem, dass Kanada und die Vereinigten Staaten angeboten hatten, die Uiguren umzusiedeln. Vielleicht wollte man in Peking die ungeklärten Kräfteverhältnisse nutzen und hat gerade deswegen Druck auf Bangkok ausgeübt.

Thailand wiederum steht auf der Liste der Länder mit einem Handelsüberschuss gegenüber den USA. Nicht an der obersten Stelle, aber es könnte sein, dass man von Strafzöllen getroffen wird, wenn Donald Trump sich weiter nach unten arbeitet. Die alten USA waren in dieser Beziehung immer großzügig gewesen, um Thailand nicht noch näher an China zu treiben. Das könnte sich geändert haben.

Peking bestreitet alle Vorwürfe

Die in Washington ansässige Interessengruppe „Campaign for Uyghurs“ erklärte, Rubios Schritt sei eine „starke Botschaft, dass diejenigen, die die Menschenrechtsverletzungen der Kommunistischen Partei Chinas unterstützen, mit den Konsequenzen für ihre Verbrechen rechnen müssen“.

In Peking hingegen bestreitet man die Vorwürfe der Zwangsarbeit von Uiguren und argumentiert, man habe in den vergangenen Jahren „Berufsbildungszentren“ eingerichtet, um Terrorismus, Separatismus und religiösen Radikalismus einzudämmen. Die chinesische Botschaft in Bangkok erklärte, die Rückführung sei „in Übereinstimmung mit den Gesetzen Chinas und Thailands, dem Völkerrecht und den üblichen Praktiken“ ausgeführt worden und die „gesetzlichen Rechte und Interessen der betroffenen Personen seien vollständig geschützt“.

Den 48 Uiguren freilich nützen all die Statements und Gegenstatements nicht. Sie sind Opfer einer sich rasch wandelnden Weltordnung geworden.

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