Süddeutsche Zeitung

Thailand:Der Putschist, dein Feind und Helfer

Die Thailänder hatten in ihrer Abstimmung über die Verfassung nicht wirklich eine Wahl. Mit einem Nein hätten sie vermutlich riskiert, dass die Junta die Repression erhöht.

Kommentar von Arne Perras

Es soll aussehen wie gelebte Demokratie, so jedenfalls wünschen es sich die Generäle in Bangkok. Am Sonntag haben sie den Thailändern eine neue Verfassung zur Abstimmung vorgelegt. Eine Mehrheit hat den Entwurf angenommen, was die Junta als großen Erfolg für sich verbuchen wird. Tatsächlich wird diese von den Soldaten erzwungene Übung den Wählern keinesfalls zu ihrem Recht verhelfen.

Das Trugbild von Bangkok ist bezeichnend für die Not, die Putschisten über ihre Länder bringen. Sie geben sich gerne als die Hüter der Nation und zerrütten doch die politische Kultur. Ihre Staaten erholen sich davon oft nur schwer. Wo Soldaten als Retter in der Not erscheinen, wird die Misere in der Regel nur größer. Die Geschichte ist voller Beispiele dieser Art.

Die vermeintliche Stabilität, die Generäle im Gewand von Politikern versprechen, nützt nur einer kleinen Clique, wie Thailands Nachbarland Myanmar auf drastische Weise gezeigt hat. Eine demokratisch gewählte Regierung muss dort nun die Scherben einer Diktatur aufkehren, die das Volk jahrzehntelang im Elend gefangen hielt.

In Thailand sind Demokratie und Staat viel weiter entwickelt. Doch manchem wird dort sehr unwohl, wenn er an das abschreckende Beispiel jenseits der Grenze denkt. Die Generäle in Bangkok, die sich vor zwei Jahren an die Macht putschten, wollen jetzt ihre Rolle als Oberaufseher konstitutionell verankern. Das aufwendige Paragrafenwerk soll Parteien bändigen und in ihrer Macht beschneiden, das Militär will auf Dauer die Strippen in dem Land ziehen. Demokratie wird so zur bloßen Fassade. Sich gegen die Junta zu wehren, ist schwer, das Regime bringt Kritiker schnell hinter Gitter.

Die Militärjunta in Bangkok zeigt, dass ein Coup dem Land nicht hilft

Die Thailänder hatten in ihrer Abstimmung über die Verfassung nicht wirklich eine Wahl. Mit einem Nein zur Verfassung hätten sie vermutlich riskiert, dass die Junta die Repression erhöht und nationale Wahlen in weite Ferne rücken. Viele hatten davor offenbar Angst und nehmen es hin, dass das Militär künftig weiterhin maßgeblich in der Politik mitmischt. Jetzt werden sie die Generäle nicht mehr so schnell los.

Wer Angst hat vor Autokraten, Populisten, Islamisten oder sonstigen Potentaten, den mag schon mal die Sehnsucht nach dem rettenden Militär befallen. Indes: Die Empirie mahnt zur Vorsicht, nicht erst seit der Erfahrung mit der Türkei. Auch in Ägypten regiert nach den Muslimbrüdern wieder ein General, der nicht viel Anlass zur Hoffnung bietet. Im besten Falle legen solche Militärdiktaturen Probleme nur auf Eis.

Armeen können im Inneren für kurze Zeit Ruhe erzwingen, doch sobald sie regieren, zerstören sie jede ehrliche Debatte. Sie entmündigen die Bürger, ihre Propaganda erstickt die politische Kultur. Die Potentaten unterdrücken freiheitliche Rechte und legen die Saat für die nächsten Konflikte. Wer da als Feuerwehr auftritt, entzündet in Wahrheit neue Flammen.

Diktatoren wie dem pakistanischen General Pervez Musharraf mag man noch zugutehalten, dass er sich gegen die grassierende Korruption gestemmt hat, doch nachhaltig war seine Politik nicht. Genauso wenig kann es der thailändischen Armee nun gelingen, ihr gespaltenes Land unter Zwang zu einen. Als Moderatoren für ei-nen politischen Neuanfang sind Generäle denkbar ungeeignet. Sie gehören in die Kasernen, nirgendwo taugt der Staat als politischer Truppenübungsplatz.

Gerade in Bangkok ist nun zu studieren, was Putschisten so bedrohlich macht: Haben sie erst mal die Macht ergriffen, fällt es ihnen schwer, freiwillig davon zu lassen. Eine Diktatur ist verführerisch, sie schuldet niemandem eine Rechtfertigung. All ihre Versprechungen, sie wollten doch nur selbstlos die Nation schützen, klingen nach kurzer Zeit nur noch hohl.

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SZ vom 08.08.2016/dit
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