Süddeutsche Zeitung

Thailand:Die Regierung sät Frust, die Gegner antworten mit Bomben

Aufständische haben in Südthailand Anschläge verübt, ohne jemanden zu verletzen. Offenbar eine Warnung vor den kommenden Wahlen: Viele Menschen wollen die Demokratie zurück.

Von David Pfeifer, Bangkok

Der Mann war gekleidet wie eine muslimische Frau, mit verhülltem Gesicht und langem Kleid, als er gegen 23.50 Uhr den Laden betrat, eine schwarze Tasche auf den Tresen legte und das Personal und die Kunden dazu aufforderte, zu fliehen, wenn sie "nicht sterben wollen". Zehn Minuten später ging die Bombe hoch, die niemanden verletzte, so berichtete es Polizeikapitän Sarayut Kochawong aus der Provinz Sala am Mittwochabend. Zur etwa gleichen Zeit kam es im Süden Thailands zu weiteren 16 Anschlägen, bei denen sieben Menschen verletzt wurden, aber niemand starb. Offensichtlich wollten die Attentäter ein Zeichen setzen, ohne jemanden zu töten.

Es wurde auf kleine Geschäfte und Tankstellen in den südthailändischen Provinzen Pattani, Yala, Narathiwat und Teilen von Songklah gezielt, sagte Generalmajor Pramote Promin, Sprecher des "Internal Security Operations Command" (ISOC), das für die Region zuständig ist. Im Bezirk Bannang Sata fuhren gegen Mitternacht vier Männer auf zwei Motorrädern an einem "7-Eleven"-Laden vorbei und warfen eine Brandbombe hinein. In der Nähe explodierte eine Bombe in einem kleinen "Mini Big C"-Supermarkt im Bezirk Raman und eine weitere in einem Mobilfunk-Signalturm.

Seit Jahrzehnten schon kommt es nahe der Grenze zu Malaysia zu Aufständen. Dabei bekämpft die Armee Gruppen, die eine Autonomie der überwiegend muslimischen Provinzen anstreben, die sich von der buddhistischen Mehrheit im Land schlecht behandelt fühlen. Nach Angaben der thailändischen Menschenrechtsorganisation "Deep South Watch", die die Gewalt beobachtet, wurden in dem Konflikt seit 2004 mehr als 7 300 Menschen getötet.

Anschläge aus fahrenden Autos oder von Motorrädern aus haben Regierungsgegner im Süden in den vergangenen Jahren häufig verübt. Koordinierte Angriffe jedoch hat es bislang nur gegeben, wenn die Täter einen Knalleffekt erzielen wollten, der bis nach Bangkok und über Thailand hinaus gehört wird - so wie in diesem Fall. Im kommenden Frühjahr soll in Thailand gewählt werden. Die Junta, die sich 2014 an die Macht putschte und 2019 in einer semidemokratischen Wahl bestätigen ließ, steht unter Druck, vor allem wegen ihres schlechten Pandemiemanagements. Die Wirtschaftsentwicklung wurde abgewürgt, viele Thailänderinnen und Thailänder mussten, weil sie im Lockdown kein Geld mehr verdienen konnten, aus den Städten zurück in ihre Provinzen fliehen, auf die Höfe und in die Häuser von Verwandten.

Auch die jungen Demonstranten in Bangkok lehnen die Militärherrschaft ab

Zuletzt hat 2019 eine Welle von Anschlägen den Süden erschüttert. Männer mit Gewehren stürmten in Narathiwat, der südlichsten thailändischen Provinz, einen buddhistischen Tempel, töteten zwei Mönche und verletzten zwei weitere. Verantwortlich waren malaiische Separatisten. Human Rights Watch hatte damals die Gewalt verurteilt und besonders die aktivste fundamentalistische Gruppe für Angriffe auf Schulen, Gebetsstätten und Krankenhäuser kritisiert, die "Barisan Revolusi Nasional", mit der die Regierung zuletzt aber wieder im Gespräch gewesen war. Das thailändische Militär wurde umgekehrt ermahnt, außergerichtliche Gewalt bis hin Extremen wie der Exekution von Verdächtigen, nicht zu dulden.

Doch die Separatisten sind unzufrieden mit der Verhandlungsführung. Ihnen seien keine Kompromisse angeboten worden, weder was die Autonomie, noch den Erhalt der eigenen Sprachen, die Religion oder Amnestien für verurteilte Kameraden angeht. Die letzte demokratisch gewählte Regierung war noch zu mehr Zugeständnissen bereit gewesen. Bevor die aktuelle Administration unter General Prayut Chan-o-cha mit der Pauschalbegründung der Pandemiebekämpfung alle Demonstrationen verbot, waren in Thailand immer mehr Menschen für Demokratie auf die Straße gegangen.

Die Demonstranten forderten den Rücktritt der Regierung, um den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Sie wollten, dass die Verfassung von 2017 überarbeitet wird, die die Rolle der Armee in der Regierung festschreibt. Und sie verlangten ein Ende der Schikane und Verfolgung von Regierungskritikern. In ihrer Ablehnung der Militärherrschaft sind sich die jungen Demonstranten in Bangkok mit den Separatisten im Süden einig. Beide Gruppen erhoffen sich von einer echten Demokratie größere Freiheiten und Möglichkeiten.

Von General Prayut Chan-o-cha aber kam das Erwartbare: "Der Premierminister verurteilt diese ungeheuerlichen Taten, die offensichtlich darauf abzielen, unschuldige Menschen zu verletzen und Eigentum zu beschädigen, da viele überfüllte Lebensmittelgeschäfte zu den Hauptzielen gehören", sagte ein Regierungssprecher nach den Anschlägen in Südthailand. Daher habe der General die Sicherheitsbehörden angewiesen, ihre Ermittlungen zu beschleunigen, damit die Hintermänner der Attacken vor Gericht gestellt werden können.

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