Hatespeech:Youtuber wegen Beleidigung von Grünen-Abgeordneter verurteilt

Die Grünen: Abgeordnete Tessa Ganserer vor dem Deutschen Bundestag

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer.

(Foto: John MacDougall/AFP)

Der Angeklagte habe die Politikerin "mit ekelerregenden Aufnahmen etwa von Krebsgeschwüren" verglichen. Das Gericht markiert eine strikte Linie, die zuletzt in anderen Fällen vermisst wurde.

Von Ronen Steinke, Berlin

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat die Grünen-Politikerin Tessa Ganserer gegen verbale Angriffe in Schutz genommen und dabei eine strikte Linie markiert, die zuletzt etwa im Fall von Beleidigungen der Grünen-Politikerin Renate Künast bei der Justiz in Berlin vermisst worden war. In dem Fall ging es um einen Mann im fränkischen Hersbruck. Er hatte auf seinem Youtube-Kanal ein Foto Ganserers mit anderen Transfrauen gezeigt und dazu geschrieben: "Und ich dachte immer, die Schockbilder auf den Kippenschachteln wären schlimm." Dies überschreite die Grenzen der Meinungsfreiheit und sei als Beleidigung strafbar, entschied das höchste Strafgericht in Bayern am 31. Januar, wie jetzt bekannt gegeben wurde (Az.: 204 StRR 574/21).

Die Persönlichkeitsrechte von Politikern liegen im öffentlichen Interesse

Auf dem Foto war Ganserer neben anderen Transfrauen zu sehen, Menschen also, die sich, wie Ganserer, mit einem anderen Geschlecht identifizieren als jenem, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Durch den Hinweis auf "Schockbilder" habe der Angeklagte die Grünen-Politikerin "mit ekelerregenden Aufnahmen etwa von Krebsgeschwüren" verglichen, heißt es in dem Beschluss des Gerichts. Dies sei "grob ehrverletzend", daran ändere auch "der Smiley auf der Bildüberschrift nichts". Zwar sei die Grenze der zulässigen Kritik bei Politikerinnen, die in die Öffentlichkeit träten, weiter zu ziehen als bei Privatpersonen. Auf der anderen Seite liege aber ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Politikern ebenso im öffentlichen Interesse.

Im Fall von Renate Künast hatten Gerichte diskutiert, ob eine sexuelle Beleidigung als sachliche Kritik durchgehen könne, wenn sich die Politikerin für ihre - früheren - Positionen zum Sexualstrafrecht kritisieren lassen muss. Im Fall von Tessa Ganserer bestand ein solcher Zusammenhang nicht. So ging das Gericht davon aus, dass die Attacke auf ihr Erscheinungsbild zur bloßen Herabwürdigung diene. Das ursprüngliche Urteil des Amtsgerichts Hersbruck in Höhe von 40 Tagessätzen Geldstrafe zu je 80 Euro wurde lediglich kritisiert, weil eine der betroffenen Frauen nicht den nötigen Strafantrag gestellt habe. Eine neue, reduzierte Strafe muss nun das Landgericht Nürnberg-Fürth festsetzen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche ein Urteil des Berliner Kammergerichts aufgehoben, das sich mit Renate Künast befasste, und eine neue Prüfung angeordnet. Das Berliner Gericht hatte aus einer Liste von 22 gegen Künast gerichtete Posts auf Facebook nur zwölf als strafbare Beleidigung eingestuft.

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