Terrorprozess in Frankfurt:Die Notizen von Franco A.

Prozess gegen Franco A.

Der Angeklagte Franco A. im Oberlandesgericht Frankfurt.

(Foto: Thomas Lohnes/dpa)

Auf der Liste des rechtsradikalen Bundeswehroffiziers stehen Waffen, aber auch Namen linksgerichteter Politiker. Es sei bloß eine Rechercheliste, sagt der Angeklagte. Richter und Staatsanwaltschaft deuten sie anders.

Von Annette Ramelsberger, Frankfurt

Im Leben der meisten Menschen gibt es diese Listen, auf denen man alles aufschreibt, was einem wichtig ist. Was man auf keinen Fall vergessen darf. Was dringend getan werden muss. Manche Menschen führen ihre Listen im Computer, andere kritzeln sie in ihre Kalender. Nur wird bei den wenigsten zwischen Wochenendeinkauf und Motorradreparatur der Gedanke notiert sein, dass sie eine bundesweit bekannte Holocaust-Leugnerin aus dem Gefängnis befreien könnten.

Auch im Prozess gegen den rechtsradikalen Bundeswehroffizier Franco A. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt geht es um so eine Liste. Auf seiner Liste steht nicht nur, dass man die Holocaust-Leugnerin befreien könnte. Franco A. hat auch notiert, dass man einen Asylbewerber eine Handgranate auf eine Antifa-Gruppe werfen lassen und ein Denkmal für die jüdische Familie Rothschild in Frankfurt sprengen könnte. Und da steht auch: "Wir sind noch nicht an einem Punkt, wo wir so handeln können wie wir letztendlich wollen."

Nur kann sich Franco A., 32, gar nicht erklären, was er mit diesen Sätzen gemeint haben könnte. Und als das Gericht eine Sprachaufnahme abspielen will, in der er das im Selbstgespräch genauer erklärt, da stemmt er sich dagegen. Das sei ihm unangenehm. Das Gericht stellt das zunächst zurück. Aber es fragt weiter.

Und es ist seltsam, dass Franco A. auf alles eine Antwort weiß, nur an ganz bestimmten Stellen setzt seine Erinnerung aus. Er weiß, warum er "Berlin, Schrotflinte" in seinen Kalender geschrieben hat - weil er angeblich nach einem alten Flaubert-Gewehr auf einem Berliner Flohmarkt suchen und das nicht vergessen wollte. Warum er "Handgranaten" da stehe hatte - weil er sich, so sagt er, deren Funktionsweise anschauen wollte, einfach so. Warum auf seinem Notizzettel stand "Schlösser knacken" - er wollte sehen, wie das geht, falls er mal seinen Schlüssel verliert.

Er wollte halt mal gucken, welche Zentralräte es gibt

Und die "Molotowcocktails" auf dem Zettel? Weil er mal recherchieren wollte, wie man so was herstellen kann, sagt Franco A. Dann steht auch noch "Zentralrat der Juden" und "Zentralrat der Muslime" auf seinem Zettel. Und Franco A. sagt, er wollte halt mal gucken, was es so an Zentralräten gibt.

Der Vorsitzende Richter Christoph Koller sagt: "Das ist eine To-do-Liste." Franco A. erwidert: "Das ist eine Rechercheliste." Er habe sich nur informieren wollen. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass es eine Todesliste ist.

Sie hat Franco A. angeklagt, eine Terrortat gegen deutsche Politiker geplant zu haben. Denn neben den ganzen To-dos stehen da auch Namen: von linken und grünen Politikerinnen, von einer Bürgerrechtlerin, von Außenminister Heiko Maas. Diese Namen stehen auch auf einer sehr ähnlichen Liste von Franco A.s Offizierskamerad Maximilian T. Nur steht dort hinter den Politikerinnen noch der Zusatz "anti-deutsch".

Auch die Hamburger Grünenpolitikerin Stefanie von Berg steht auf der Liste. "Hatten Sie im Kopf, dass das eine Hassfigur der Rechten ist?", fragt Richter Koller. Franco A. verlässt die Erinnerung nun wieder: "Sicher wird es irgendeinen Anreiz gegeben haben, dass ich sie aufgeschrieben habe." Vielleicht liegt es ja daran, dass Stefanie von Berg 2015 erklärt hatte, dass es in Zukunft laut Demografen keine ethnischen Mehrheiten mehr geben werde. Für Franco A. dagegen ist die deutsche Nation extrem wichtig.

Franco A. hat seine Notizen auf das Blatt des 11. September 2016 notiert. "Man könnte", sagt Richter Koller, "auf die Idee kommen, dass Sie hier ein deutsches 9/11 planten." Aber nein, sagt Franco A., seine Notizen stünden nur "dummerweise" auf diesem Datum. "Der Tatvorwurf liegt mir vollkommen fern", sagt der Offizier. Ihm gehe es um Liebe, Frieden. Muslime und Christen seien keine Feinde, auch Linke und Rechte nicht.

Der Richter bohrt nach. "Wer ist denn Frau Haverbeck?" Franco A. sagt: "Eine alte Frau, die zum Holocaust eine eigene Ansicht hat und deswegen strafrechtliche Konsequenzen erlebt." Man muss dazu wissen, dass Ursula Haverbeck immer wieder wegen Volksverhetzung verurteilt wird, sie ist die Ikone der Neonazis, sie leugnet die Ermordung der Juden durch die Nazis.

"Das nennen Sie eine abweichende Meinung?", fragt der Richter. "Ja, ganz neutral, ohne eine Wertung", entgegnet Franco A. - "Kann man zu einer historischen Tatsache eine Meinung haben? Oder sind das einfach Tatsachen?" Franco A. windet sich. Selbst bei Tatsachen könne man doch sagen, dass man es trotzdem anders sieht. "Das hat gar nichts mit dem Holocaust zu tun", fügt er noch an.

"Und wer soll die Frau dann befreien?", fragt der Richter. Franco A. denkt nach. "Ich weiß nicht, wer das mal gesagt hat." - "Man könnte denken, dass Sie sie befreien wollen? Haben Sie das gedacht?", fragt der Richter. Franco A. sagt nur: "Was ich gedacht habe, kann ich nicht mehr sagen." Außerdem habe er gar nicht die Mittel, um sie zu befreien.

Irgendwann sagt der Beisitzende Richter Rohde sehr kühl: "Sie tun so, als wenn das ein anderer aufgeschrieben hätte. Sie machen wortreiche Ausführungen zu randständigen Details und zu markanten Dingen haben Sie keine Erinnerung. Wissen Sie, was das für ein Bild auf Sie wirft?" Franco A. redet ungerührt weiter.

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