Terrororganisation Eta:Mörderische Verzweiflung

Obwohl viele Führungsfiguren mittlerweile in Haft sitzen, ist die Eta noch zu Terrorakten fähig.

Von Nicolas Richter

An Weihnachten konnte das Schlimmste gerade noch verhindert werden. Die Eta-Anhänger Garikoitz Arruarte, 25, und Gorka Loran Lafourcade, 24, hatten einen Anschlag vorbereitet, der ähnlich tödlich hätte enden können wie der vom Donnerstag:

Jeder der beiden Männer hatte damals 25 Kilo Sprengstoff in einen Rucksack gepackt.

Die Bomben sollten in einem Intercity-Zug explodieren, der morgens die Stadt Irun im Baskenland verlassen hatte und am Nachmittag in den Madrider Bahnhof Chamartin einfahren sollte.

Die Zeitzünder tickten schon, um 15.55 Uhr sollten die Sprengsätze hochgehen.

Immerhin - die Polizei war den Terroristen so früh auf die Spur gekommen, dass sie die Bomben aus dem Verkehr ziehen konnte.

Zwar ist noch nicht bewiesen, dass die baskische Terrororganisation Eta tatsächlich hinter den Anschlägen steckt, die am Donnerstag mehr als 180 Menschen töteten. Die Regierung in Madrid ist sich jedoch bereits sicher; sie verweist auf den verwendeten Sprengstoff.

Auffällig sind jedenfalls die Parallelen zu dem an Weihnachten 2003 vereitelten Anschlag.

Schon damals zeigte sich die Eta von einer neuen Seite:

Geänderte Strategie

Während der Schwerpunkt des Terrors bis dahin darauf gelegen hatte, gezielt Sicherheitskräfte oder Politiker zu erschießen oder durch Autobomben zu töten, zeichnete sich vor Monaten erstmals ab, dass die Eta inzwischen offenbar nur noch wahllos bomben will, auch in Menschenmengen hinein.

Experten werteten dies bereits im Dezember als Zeichen der Schwäche einer im Niedergang befindlichen Terror-Truppe. Denn es ist leichter, eine Bombe in einem Zug zu verstecken als einem einzelnen Opfer wochenlang nachzuspionieren, um dessen Lebensgewohnheiten zu erforschen.

Insofern könnte es sich auch bei dem Massenmord ohne Vorwarnung am Donnerstag tatsächlich um eine terroristische Verzweiflungstat handeln.

Die "Euskadi ta Askatasuna" ("Baskenland und Freiheit"), wie die Eta ausgeschrieben heißt, kämpft seit Beginn der sechziger Jahre für die Unabhängigkeit des Baskenlandes, das im Norden Spaniens und Südosten Frankreichs liegt.

Die Militanz der Bewegung galt zunächst der Madrider Zentralregierung unter dem Diktator Francisco Franco, doch auch nach dessen Tod konnte sich die Gruppe aus ihrer Logik der Gewalt nicht befreien.

1968 tötete die Eta zum ersten Mal, Opfer war ein Mitglied der Sicherheitskräfte. Bis zu dem Anschlag am Donnerstag hatte die Eta 817 Menschen ermordet.

Der Staat ließ sich von den Terroristen zu überzogener Gewalt und illegalen Operationen verleiten. So machten in den achtziger Jahren in Südfrankreich "Antiterroristische Befreiungsgruppen" im Auftrag des spanischen Staates Jagd auf Eta-Mitglieder, knapp 30 Menschen starben.

Vor ein paar Jahren wurde deswegen der frühere sozialistische Innenminister zu einer Haftstrafe verurteilt.

Das Treiben der "Befreiungsgruppen" gründete auch auf der Überzeugung der Regierung in Madrid, dass französische Behörden lange Zeit zu wenig gegen die Eta unternommen hätten, weshalb sich die Terroristen bequem nach Südfrankreich hätten zurückziehen können.

Doch damit ist es schon länger vorbei, und die Terroranschläge vom 11. September 2001 in Amerika hatten daran einigen Anteil.

Schon im Oktober 2001 vereinbarten Frankreich und Spanien eine engere Kooperation im Kampf gegen den Terrorismus, die noch vertieft wurde, seit der Konservative Nicolas Sarkozy 2002 Innenminister in Paris wurde.

Den französischen Fahndern gelang es beispielsweise Anfang Dezember 2003, mehrere Eta-Führer festzunehmen, dabei erhielt die Polizei offenbar auch Hinweise auf den an Weihnachten geplanten Anschlag.

Gleichzeitig dezimierte der hohe Fahndungsdruck in Spanien die Terrororganisation.

Schwindender Rückhalt

Regierungschef José-Maria Aznar ist nie bereit gewesen, der Eta nur das geringste Zugeständnis zu machen.

Er war es auch, der das Verbotsverfahren gegen die Partei Batasuna betrieb, den politische Arm der Eta.

Dass deren Verbot voriges Jahr auch im Baskenland relativ gelassen hingenommen wurde, deutet darauf hin, dass dort der Rückhalt der Eta allmählich schwindet.

Die Eta hat bereits viele Rückschläge überlebt und hat sich auch von der Festnahme von Führungsfiguren immer wieder erholt. Noch nie aber folgten die Festnahmen einander so schnell wie in den vergangenen Jahren.

"Wie jedes Unternehmen braucht auch eine Terrorgruppe ein Minimum an Stabilität, und es sieht nicht so aus, als werde ihr die Polizei das gönnen", schrieb die Zeitung El Pais.

Anfang des Jahres lobte sich die Madrider Regierung ob ihres Erfolges: Drei Terroropfer gab es 2003, so wenige wie seit 1972 nicht mehr, wenn man vom Waffenstillstand 1999 absieht. Innenminister Angel Acebes schloss nicht aus, "dass die Aktionen der Eta bald enden könnten".

Sicherheitsexperten warnten freilich schon damals vor verfrühtem Triumphieren.

Am Donnerstag könnte sich gezeigt haben, dass eine verzweifelte Organisation, die sich aufbäumt, zu noch mörderischeren Taten imstande ist als eine, die sich unbesiegbar fühlt.

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