Terrornetzwerk nach Osama bin Laden:US-Beamte: Al-Qaida-Führung droht der Kollaps

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"Ein historischer Moment der Schwäche": Die USA sind überzeugt davon, dass sie vor einem Sieg im Kampf gegen die Führung des Terrornetzwerks al-Qaida stehen. Der Tod Bin Ladens habe die Organisation maßgeblich geschwächt, berichtet die "Washington Post". Sorge bereitet den Terrorexperten aber ein regionaler Ableger.

Erst vor wenigen Tagen hat die Terrororganisation al-Qaida den Ägypter Aiman al-Zawahiri in der neuesten Ausgabe ihres Propagandamagazins Inspire als ihren neuen Führer bestätigt. Dies habe der innere Führungszirkel nach dem Tod Osama bin Ladens beschlossen, heißt es in der aktuellen sechsten Ausgabe der Publikation, die am Dienstag im Internet erschien. Die Mudschaheddin (Gotteskrieger) würden ihren Kampf unter Zawahiri fortsetzen und "ihre Leben für die Wahrheit opfern, bis nur noch Allah verehrt werden kann".

Aiman al-Zawahiri, die langjährige Nummer zwei nach Osama bin Laden, soll nun das Terrornetzwerk al-Qaida führen. Doch Experten zufolge werde er damit zu kämpfen haben, die Organisation zusammenzuhalten. (Foto: Ausaf Newspaper; Handout/dpa)

US-Spezialisten für Terrorbekämpfung gehen aber davon aus, dass die Organisation diesen Kampf nicht mehr lange fortsetzen könne: Der Tod Osama bin Ladens habe das Netzwerk so sehr geschwächt, dass die Führung al-Qaidas kurz vor dem Kollaps stehe, berichtet die Washington Post. Auch der regelmäßige Beschuss der Grenzgebiete zwischen Afghanistan und Pakistan, wo sich die Taliban und Al-Qaida-Kämpfer verschanzen, zeige Wirkung, heißt es in dem Bericht weiter. Das Blatt beruft sich dabei auf hochrangige US-amerikanische Sicherheitsbeamte.

Demnach deuteten die Beamten sogar einen konkreten Abschluss des Kampfes gegen al-Qaida an. Erst vor kurzem hatte US-Verteidigungsminister Leon E. Panetta bei seinem Besuch in Afghanistan gesagt, "dass wir kurz davor sind, al-Qaida strategisch zu besiegen". Allerdings bezweifelten einige Beobachter die Ernsthaftigkeit des Kommentars, sie verwiesen darauf, dass Panetta möglicherweise versucht haben könnte, die Truppen zu motivieren. Doch schließen sich auch die Skeptiker seinem Urteil grundsätzlich an: Panetta habe recht in Bezug darauf, dass das Terrornetzwerk inzwischen nicht mehr fähig sei, größere Attacken gegen die USA auszuführen, erklärte ein hochrangiger Beamter der Washington Post.

Ähnlich äußerte sich Senator Saxby Chambliss in dem Blatt. Er sitzt als führender Vertreter der Republikaner im Geheimdienstausschuss des Senats. "Wenn es um das Herzstück der Al-Qaida-Führung [in Pakistan] geht, glauben wir, dass wir uns in einer Situation befinden, in der wir über einen Sieg spekulieren können." Sorge bereitet ihm allerdings der regionale Ableger al-Qaidas auf der Arabischen Halbinsel (AQAP), insbesondere dessen Stützpunkt im Jemen - hier könne man in keinster Weise davon sprechen, dass dieser vor einer Niederlage stehe. Der Ableger bekannte sich in der Vergangenheit zu einer Reihe von versuchten Anschlägen. Beispielsweise soll der "Unterhosenbomber" in Kontakt mit der Organisation gestanden haben, der 2009 versucht hatte, eine Passagiermaschine in Detroit in die Luft zu sprengen.

Im Kampf gegen AQAP hatte die USA erst vor wenigen Monaten einen Rückschlag erlitten, als ein Raketenangriff den gesuchten Hassprediger Anwar al-Awlaki verfehlte. Der Terrorverdächtige und radikale Prediger ist in den USA geboren, er spricht fließend Englisch und wird daher als einflussreich insbesondere bei westlichen Muslimen angesehen. Seine Bedeutung für al-Qaida werde aber Beobachtern zufolge gerne überschätzt.

Die US-Sicherheitsexperten betonen dem Bericht zufolge auch die Rolle, die die US-Drohnen-Angriffe der CIA in Pakistan spielten: Demnach hätten die unbemannten Flugzeuge seit 2004 im Grenzgebiet zu Afghanistan mindestens 1200 Militante getötet. Man habe so neben Bin Laden "eine ganze Generation von Führern" auslöschen können, zitiert das Blatt einen hochrangigen Beamten.

Der Ägypter und Bin-Laden-Nachfolger Aiman al-Zawahiri stehe noch auf einer Liste von "wichtigen Zielen", erklärt der US-Beamte weiter. Sawahiri sehen die Experten innerhalb des Terrornetzwerks als polarisierende Figur, der neue Anführer werde damit zu kämpfen haben, dass das Netzwerk nicht in mehrere kleine, regionale Gruppierungen zersplittere. Eine ähnliche Einschätzung hatte auch der Terrorismus-Experte und ehemalige libysche Dschihadist Noman Benotman in einem Aufsatz für die Quilliam Foundation mit Sitz in London kurz nach Bin Ladens Tod geäußert: "Bin Laden war es, der al-Qaida zusammenhielt. Ohne ihn wird die Organisation wahrscheinlich auseinanderfallen. Dies ist ein Moment historischer Schwäche für al-Qaida."

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