In den diese Woche aufgetauchten Akten des sogenannten Islamischen Staates finden sich auch die Namen mehrerer Attentäter von Paris. Nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung ist die Einreise von drei der Terroristen vermerkt, die am 13. November 2015 an dem Massaker in der französischen Hauptstadt beteiligt waren: Samy Amimour, Fouad Mohammed Aggad und Ismaël Omar Mostefaï.
Zudem findet sich an anderer Stelle der Name des mutmaßlichen Kopfes der Gruppe, Abdelhamid Abaaoud, der offenbar mit seinem Kampfnamen Abu Omar Al-Beljiki als Bürge für die Einreise eines weiteren französischen Islamisten in den IS fungierte. Der Einreisebogen von Abaaoud selbst befindet sich nach einer ersten Analyse nicht in den Unterlagen.
Ermittler rechnen weiteren Islamisten zu den Paris-Hintermännern
Bemerkenswert ist auch die Einreise einer größeren Gruppe französischer Dschihadisten, die am 18. Dezember 2013 gemeinsam im IS-Gebiet ankamen. Mindestens 14 Männer mit ihren Familien überquerten an jenem Tag mit demselben Schleuser und mit der Bürgschaft eines einzigen marokkanisch-stämmigen Dschihadisten die türkisch-syrische Grenze. Alle gaben damals in ihren Personalbögen an, als Kämpfer für den IS aktiv werden zu wollen. Einer aus der Gruppe, Fouad Mohammed Aggad aus Straßburg, mordete später im Pariser Bataclan. Bei dem Angriff auf die Konzerthalle kamen 90 Menschen ums Leben.
Terror in Paris:Anschläge in Paris: Wie Frankreich seine wichtigste Zeugin im Stich lässt
Eine junge Frau verriet der Polizei im November das Versteck des Terroristen Abdelhamid Abaaoud. Nun erhebt sie schwere Vorwürfe gegen die Regierung.
Außer Abdelhamid Abaaoud aus dem belgischen Molenbeek rechnen französische Sicherheitsbehörden noch einen weiteren Islamisten zu den Hintermännern der Pariser Anschläge: Abu Suleyman al-Faransi, der mit bürgerlichem Namen Charaffe el-Mouadan heißt und sich während der Anschläge in Paris in Syrien aufgehalten haben soll. Einer der Attentäter, so berichtet es ein Zeuge des Bataclan-Attentates, habe noch während der Tat versucht, Charaffe el-Mouadan anzurufen.
Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums soll El-Mouadan am 24. Dezember 2015 bei einem Luftangriff in Syrien getötet worden sein. Ein Sprecher der US-Armee gab an, der französische Dschihadist habe nach Paris bereits weitere Anschläge geplant.
Die etwa 22 000 Dokumente, die NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung vorliegen, stammen überwiegend aus den Jahren 2013 und 2014 und wurden von der sogenannten "General-Grenz-Verwaltung" des IS angelegt. Da es zahlreiche Dopplungen in dem Material gibt, ist die Anzahl der tatsächlich vom IS registrierten Personen jedoch erheblich niedriger.
Nach einer ersten Auswertung scheint das Material wenige Tausend Einzelpersonen zu betreffen, die aus allen Teilen der Welt stammen, so beispielsweise aus den USA, Trinidad und Tobago, Indonesien, Russland und Südafrika. Auch mehr als 100 aus Deutschland stammende Männer sind unter ihnen. In den Personalbögen finden sich 23 Spalten, in denen die Neuankömmlinge außer biografischen Details auch Kontaktdaten von Angehörigen, Namen von Schleusern und Bürgen und ihre Blutgruppe angeben sollen. Zudem werden sie nach speziellen Fähigkeiten und der beabsichtigten Tätigkeit bei der Terrormiliz gefragt - hier können sie wählen, ob sie als Kämpfer, Selbstmordattentäter, Geheimdienstler oder in der Verwaltung arbeiten wollen.
Das Bundeskriminalamt, dem solche Unterlagen nach eigenen Angaben ebenfalls vorliegen, erklärte in einer Stellungnahme, dass es sich mit "hoher Wahrscheinlichkeit um authentische Papiere" handele. Zuvor hatten Sicherheitsbehörden die Angaben der deutschen Eingereisten mit den ihnen vorliegenden Informationen abgeglichen. Auch NDR, WDR und SZ haben die Dokumente einer journalistischen Prüfung unterzogen.
Unter Wissenschaftlern und Terrorismus-Forschern ist seit Bekanntwerden des Funds eine Debatte über die Echtheit der Papiere entbrannt. Während Experten wie der Extremismus-Forscher Peter Neumann vom King's College in London und der Dschihad-Experte Will McCants vom Brookings Institute in den USA die Dokumente für authentisch halten, zweifeln andere wie Charlie Winter von der Georgia State University an der Formularvorlage und den darin verwandten Symboliken. Dalia Ghanem-Yazbeck vom Carnegie Middle East Center in Beirut glaubt, die Dokumente seien nicht so ausgereift wie andere zuvor publizierte IS-Dokumente. Allerdings sei die schiere Masse rekrutierter Personen beeindruckend.
Die Auswertung der Dokumente könnte nun zur Aufklärung der Hintermänner von Paris beitragen. Denn noch immer sind viele Details über die Attentate in Frankreichs Hauptstadt ungeklärt.