Terrormiliz IS:Der Wiederaufbau Mossuls wird Jahre dauern

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Irakische Polizisten räumen gesicherte Sprengstoffgürtel beiseite, die von IS-Kämpfern benutzt wurden. (Foto: Alaa al-Marjani/Reuters)

Die Terrormiliz IS ist aus der strategisch wichtigen Stadt vertrieben, doch große Teile der Infrastruktur sind völlig zerstört - und Selbstmordattentäter verbreiten neue Gefahr.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Der irakische Premierminister Haidar al-Abadi hat am Sonntag in Mossul den Sieg über die Terrormiliz Islamischer Staat verkündet. "Der Befehlshaber der Streitkräfte, Haidar al-Abadi, ist in der befreiten Stadt Mossul eingetroffen und gratuliert den heldenhaften Kämpfern und dem irakischen Volk zu diesem großen Sieg", hieß es in einer von seinem Büro verbreiteten Erklärung. Abadi zeigte sich in der Stadt in der schwarzen Uniform der ihm unterstellten Antiterror-Sondereinheiten.

In den vergangenen Tagen war es in der dicht bebauten Altstadt zu schweren Gefechten zwischen irakischen Elitesoldaten und einigen Hundert verbliebenen IS-Kämpfern gekommen. Augenzeugen berichten von massiven Zerstörungen in einigen Vierteln, die durch Autobomben und Mörsergranaten des IS verursacht wurden, aber auch durch Artilleriebeschuss und Luftangriffe der irakischen Truppen und der sie unterstützenden internationalen Militärkoalition gegen den IS, die von den USA angeführt wird.

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Die Stadt galt als Hochburg des "Islamischen Staats". Nun soll Mossul nach drei Jahren von der Terorristenmiliz befreit sein.

Mossul ist die zweitgrößte Stadt Iraks und war lange geprägt von ethnischer und religiöser Vielfalt. Sie war im Sommer 2014 binnen weniger Tage an den IS gefallen, nachdem Einheiten der irakischen Armee und Polizei geflohen waren. Sie ließen einen Großteil ihrer Waffen und Ausrüstung zurück; die Beute trug mit dazu bei, dass der IS in der Folge große Gebiete im Irak und in Syrien erobern konnte. Sein Anführer, Abu Bakr al-Baghdadi, rief von der Kanzel der Großen Al-Nuri-Moschee in der Altstadt Ende Juni 2014 bei einer Freitagspredigt das Kalifat aus. Der IS hat das berühmte schiefe Minarett der Moschee vor Kurzem gesprengt, um zu verhindern, dass die irakischen Truppen das symbolisch wichtige Gotteshaus einnehmen. Mossul war die wichtigste Stadt, die der IS unter seine Kontrolle bekam, auch wenn das syrische Raqqa zur Hauptstadt erklärt wurde.

Selbstmordattentäter werden auf Monate eine Bedrohung bleiben sowie Zehntausende Sprengfallen

Irakische Truppen hatten zusammen mit kurdischen Peschmerga und unterstützt von der US-geführten Koalition im Oktober 2016 mit der Offensive zur Befreiung der Stadt begonnen, die vom Tigris geteilt wird. Im Osten der Stadt kamen die Truppen relativ schnell voran und erklärten ihn Ende Januar 2017 für befreit. Nach Angaben der UN wurden im Osten nur etwa 400 Gebäude zerstört. Am 19. Februar gab Abadi dann den Start der Offensive im Westen bekannt. Dort kam es von Beginn an zu schweren Gefechten; Tausende Menschen wurden getötet oder verletzt, Zehntausende Gebäude zerstört. Laut den UN sind seit Oktober insgesamt 900 000 Menschen aus Mossul geflohen, mehr als 80 Prozent von ihnen stammten aus dem Westen. Ende Juni waren 63 000 Menschen in Gebiete in diesem Teil der Stadt zurückgekehrt, die wieder zugänglich sind. Allerdings sind dort laut den UN mehr als 32 000 Gebäude schwer beschädigt oder zerstört worden.

Die irakischen Truppen hatten die Bewohner Mossuls zu Beginn der Offensive aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben. Während das im Osten funktionierte, erwies es sich im Westen als äußerst problematisch, da viele Menschen versuchten, sich während der Kämpfe über die Front hinweg in Sicherheit zu bringen. Der IS attackierte fliehende Zivilisten mit Autobomben, Mörsergranaten und Scharfschützen. Auch missbrauchten die Dschihadisten Bewohner als menschliche Schutzschilde und positionierten Stellungen auf Gebäuden, in denen sie Zivilisten zusammengetrieben hatten. Zugleich berichteten Bewohner, denen die Flucht gelungen war, dass viele Menschen auch durch die Luftangriffe der US-geführten Koalition und den Einsatz ungelenkter Artillerieraketen durch irakische Einheiten getötet worden seien.

Der IS im Irak ist noch nicht besiegt

Mit der Befreiung Mossuls ist den irakischen Einheiten ein symbolisch wichtiger Erfolg gelungen, der IS im Irak ist damit aber noch nicht besiegt. Er hält noch Gebiete westlich von Mossul um die Stadt Tal Afar und südlich bei Hawija. Von dort aus verüben IS-Mitglieder immer wieder Anschläge, die Bagdad treffen, während der Offensive einmal auch die Stadt Dohuk. Dabei könnten auch bislang in einer Zweckallianz kooperierende schiitische Milizen mit kurdischen Peschmerga zusammenstoßen. In der sunnitisch dominierten Provinz Anbar sind jüngst im Schutz von Sandstürmen mehrere Zehntausend Menschen vor den IS-Gruppen dorthin geflohen. Auch in Mossul gab es am Sonntag noch Gefechte.

Schläferzellen und Selbstmordattentäter werden auf Monate eine Bedrohung bleiben, ebenso Zehntausende Sprengfallen, die der IS gelegt hat, um zu verhindern, dass sich das Leben in der Stadt normalisieren kann. Allein für die dringendsten Wiederaufbau-Arbeiten sind nach Schätzung der UN 615 Millionen Euro nötig, Flughafen, Bahnhof, Universität und große Teile der Infrastruktur sind zerstört; der Wiederaufbau wird Jahre dauern. Erschwert wird er dadurch, dass es bislang keinen Plan gibt, wie die Provinz Niniveh regiert werden soll, deren Hauptstadt Mossul ist. Auch Gebietsansprüche sind umstritten.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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