Angebliche Attentatspläne auf Reichstag:Aufregung über "Austro-Taliban"

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Ein in Österreich verhafteter Terrorverdächtiger sorgt für Wirbel, denn er soll Ungeheuerliches im Sinn haben: Der 25 Jahre alte Islamist plante angeblich einen Anschlag auf den Berliner Reichstag, behauptet eine Wiener Zeitung. Nur: Stimmt das?

Oliver Das Gupta

Ein in Österreich verhafteter mutmaßlicher Terrorist sorgt derzeit für Wirbel - und Verwirrung: Der 25 Jahre alte Wiener steht im Verdacht, einen Anschlag auf die deutsche Hauptstadt Berlin geplant zu haben, schreibt die in Wien erscheinende Kronenzeitung.

Im Visier islamistischer Gewalttäter? Das Berliner Reichstagsgebäude, in dem sich der Deutsche Bundestag befindet (Foto: AP)

Thomas al-J., ein zum Islam konvertierter Österreicher, habe seit Monaten am Flugsimulator trainiert. Auch das Ziel des "Austro-Talibans" gibt das Boulevardblatt vor zu kennen: einen voll besetzten Passagierjet in den Reichstag stürzen zu lassen.

Es wäre ein Verbrechen nach dem Vorbild der Terroranschläge vom 11. September 2001, als Selbstmord-Kommandos im Auftrag des Terror-Netzwerks al-Qaida in den USA Flugzeuge entführten und anschließend unter anderem ins New Yorker World Trade Center flogen.

Damals war die Ausgangsbasis für die Anschlagsplanungen Hamburg - beim aktuellen Verdachtsfall soll die Schaltzentrale der Aktion eine Altbau-Mietwohnung im Wiener Stadtteil Fünfhaus gewesen sein. Dort lebte Thomas al-J., der angebliche Fanatiker am Flugsimulator, der den Reichstag im Sinn hatte.

Nur: Was stimmt davon?

Rudolf Gollia, der Sprecher des österreichischen Innenministeriums bestätigte auf Anfrage von sueddeutsche.de die Festnahme des Mannes, verwies für weitere Informationen an die Wiener Staatsanwaltschaft. Dort formuliert man bislang vorsichtig: Bisher sei der Verdacht noch nicht verifiziert worden, sagte die Chefin der Anklagebehörde, Marie-Louise Nittel, dem ORF-Radiosender Ö1.

Bei der deutschen Bundesanwaltschaft in Karlsruhe winkt man in dieser Sache ab: "Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für konkrete Vorbereitungen eines Anschlags in Deutschland", sagte ein Sprecher zu sueddeutsche.de.

Die Bundesregierung in Berlin hält sich in der Causa bislang bedeckt. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte zu sueddeutsche.de, man arbeite mit den österreichischen Behörden "seit längerem äußerst professionell und vertrauensvoll zusammen", Auskünfte in dieser Causa seien derzeit nicht möglich - "um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden".

Der per Haftbefehl gesuchte Mann war bereits am Mittwoch in der österreichischen Hauptstadt festgenommen worden. Mehrere österreichische Medien berichteten übereinstimmend, dass drei weitere Personen vorübergehend in Gewahrsam genommen worden seien - alle im Alter zwischen 19 und 25. Es handelte sich dem Vernehmen nach um einen tschetschenischen Flüchtling, einen Konvertiten mit österreichischen Wurzeln und dessen Freundin mit ihrem Baby.

Sie waren am Wiener Flughafen Schwechat festgenommen worden und sollen angeblich auf dem Weg in ein pakistanisches Ausbildungslager für Terroristen gewesen sein - ein Trip, den der Hauptverdächtige Thomas al-J. angeblich geplant haben soll, wie Der Standard berichtete. Inzwischen wurden sie wieder auf freien Fuß gesetzt.

Anders Thomas al-J.: Er wird der "finanziellen und persönlichen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland" verdächtigt und soll der terroristischen Vereinigung "Deutsche Taliban Mujahideen" (DTM) angehören.

Thomas al-J. war den Behörden den Medienberichten zufolge schon früher aufgefallen: Die Boulevard-Zeitung Österreich schrieb, bei gemäßigten Wiener Muslimen habe der Konvertit als "besonders radikal" gegolten. Er sei "Gottesstaat-Errichter" genannt worden, so das Blatt, und habe zudem eine islamistische Internet-Seite betrieben.

Zuvor war aus Wien eine andere Festnahme vermeldet worden: Demnach haben österreichische Fahnder in Wien Yusuf O., einen mit Haftbefehl gesuchten Berliner Islamisten gefasst. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe und das Innenministerium in Wien bestätigten einen entsprechenden Pressebericht.

Yusuf O. ist den Angaben zufolge bereits am 31. Mai aufgrund eines deutschen Festnahmeersuchens in Österreich festgenommen worden. Zu Einzelheiten wollte sich die Karlsruher Behörde nicht äußern, da das Auslieferungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei.

Die Berliner Morgenpost will noch mehr über Yusuf O. erfahren haben: Im Frühjahr 2009 sei er nach Pakistan gereist, wo er sich im Grenzgebiet zu Afghanistan der Terrorgruppe DTM angeschlossen habe, heißt es in dem Bericht. Das wollten weder das Innenministerium in Wien noch die Bundesanwaltschaft kommentieren.

Nach Informationen der Morgenpost soll der Deutsch-Türke in mehreren Propagandavideos als vermummter Gotteskrieger aufgetreten sein und im September 2009 konkret mit Anschlägen in deutschen Großstädten gedroht haben.

Allerdings bestärkt dies nach bisherigem Kenntnisstand nicht den von der Kronenzeitung kolportierten Anschlagsverdacht auf den Reichstag, denn Film-Sequenzen deutscher Städte gehören zum Standard-Repertoire islamistischer Propaganda-Videos. Beunruhigend sind sie jedoch allemal.

Zwar hatten der Berliner Yusuf O. und der Wiener Thomas al-J. Kontakt, wie das österreichische Innenministerium bestätigte. Bei der deutschen Bundesanwaltschaft hieß es auf Anfrage von sueddeutsche.de allerdings, dass "keine strafrechtlich relevanten Zusammenhänge" zwischen zwischen Yusuf O. und der Wiener Gruppe bestünden.

Der Wiener Islamist Thomas al-J. ist gleichwohl auch in Karlsruhe kein Unbekannter: Die Bundesanwaltschaft treibt sogar ein eigenständiges Ermittlungsverfahren gegen die Wiener Gruppe, allerdings nicht wegen eines geplanten Terroranschlags. Der Tatverdacht lautet gleichwohl harmloser: "Finanzielle Unterstützung des militanten Dschihads."

© sueddeutsche.de/dpa/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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