Der letzte Tag des vergangenen Jahres im Ort Maiduwa in Nigeria: Ein Selbstmordattentäter sprengt sich in die Luft. Hinter dem Angriff soll die Terrorgruppe Boko Haram stecken. So sind sechs von insgesamt 6644 Menschen ums Leben gekommen, die Boko Haram im Jahr 2014 ermordete - ein Fünftel aller Terroropfer im vergangenen Jahr geht auf das Konto dieser Gruppe.
Dazu kommen mindestens weitere 6000 Morde durch den sogenannten "Islamischen Staat" (IS), etwas weniger als 3500 durch die Taliban und 15 000 durch weitere 272 Terrorgruppen. Das zeigen Zahlen der University of Maryland (USA). Das vergangene Jahr hat demnach mehrere Negativrekorde aufgestellt: die meisten Anschläge (13 471), die meisten Verletzten (34 787), die meisten Toten (32 715). Zum Vergleich: 2996 Menschen starben am 11. September 2001 bei den Anschlägen auf das World Trade Center in New York, das Pentagon in Washington und beim Absturz eines vierten entführten Flugzeuges in Pennsylvania.
Ist die Zahl der Terroranschläge in den vergangenen Jahren wirklich so sehr angestiegen?
Ja und nein. Tatsächlich zeigen die Daten einen starken Anstieg ab dem Jahr 2011. Das hat zwei Gründe: Erstens zerstören und morden Organisationen wie der IS oder Boko Haram in immer kürzeren Abständen. Obwohl sie erst seit wenigen Jahren töten, reicht die Zahl ihrer Opfer bereits heute an die der Organisationen heran, die seit Jahrzehnten mit Gewalt für ihre Ziele kämpfen. Zweitens lassen sich Forscher seit 2011 verstärkt von Computern bei der Auswertung helfen - und so bleiben immer weniger Attentate unbemerkt. Vor 2011 sind die Zahlen damit tendenziell eher zu niedrig als zu hoch.
Wo töten Terrorgruppen?
Weltweit haben sich die Hotspots für Terrorismus verschoben: In den 70er und 80er Jahren waren Terroristen vor allem in Südamerika, Europa und Südasien ein Problem, heute agieren sie vorwiegend im Mittleren und Nahen Osten und Afrika (siehe Weltkarte zu Beginn des Artikels).
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Wer sind die Terrorgruppen?
Mehr als 2700 Terrorgruppen tauchen in den Daten seit 1970 auf. Von A'chik Songna An'pachakgipa Kotok (fünf Entführungen, ein Bombenanschlag in Indien 2014) bis Zwai Tribe (eine Entführung in Libyen Ende 2013).
Die Welt der Terroisten ist zweigeteilt: Die Hälfte der Gruppen hat nicht mehr als zwei Anschläge verübt und war nur ein, zwei Jahre aktiv. Nur jede zehnte Gruppierung gab es länger als fünf Jahre.
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So etwa die bekannten Terrorgruppen: die ETA in Spanien, die IRA in Nordirland oder die Farc in Kolumbien, die im Moment in Havanna mit der kolumbianischen Regierung über einen Friedensvertrag verhandelt. Diese Organisationen haben über viele Jahre hinweg Anschläge verübt, Menschen getötet und entführt, Gebäude oder Fahrzeuge zerstört. Die meisten Anschläge im Untersuchungszeitraum gehen der Statistik zufolge auf das Konto der peruanischen Kommunisten vom "Leuchtenden Pfad".
Al-Qaida ist bisher die expansivste Terrororganisation, deren lokale Ableger in insgesamt 28 verschiedenen Ländern Anschläge verübt haben. Nur wenige andere Gruppierungen, wie beispielsweise die PKK, sind vergleichbar mobil. Auch der "Islamische Staat" hat mit seinen Angriffen in Paris, dem Sinai oder der Türkei expandiert. Das muss aber kein Zeichen der Stärke sein, findet Bernard Haykel, Professor für Near Eastern Studies an der Princeton University: "Wie kann man also die Paris-Angriffe erklären, die eine deutliche Abkehr von der bisherigen Taktik, wenn nicht sogar Strategie des IS bedeuten? Mit einem Wort: Niederlage." Gebietsverluste müssten mit spektakulären Attentaten ausgeglichen werden, um weiterhin attraktiv für Rekruten zu bleiben.
Terror in Paris:Der IS ist schwächer als viele denken
Große, koordinierte Selbstmordattentate in fernen Ländern hat die IS-Führung bislang abgelehnt. Das ändert sich nun, weil der "Islamische Staat" etliche Niederlagen erlitten hat.
Sprengen sich Islamisten immer selbst in die Luft?
Nein. Es sind zwar fast ausschließlich Islamisten, die sich selbst töten, um auch andere umzubringen, doch auch bei den Dschihadisten spielen Selbstmordattentate nur eine untergeordnete Rolle. Nur bei einem von fünf Anschlägen sprengen sich bei den Taliban Menschen in die Luft. Beim IS, al-Qaida oder Boko Haram ist der Anteil noch geringer.
Auch Islamisten greifen meistens zu Bomben oder Sprengsätzen, den Waffen der Wahl vieler Terroristen. Mit diesen Mitteln sind seit 1970 fast 60 Prozent aller Attentate verübt worden. Eines der jüngsten Beispiele: Angeblich will die Terrororganisation IS mit einer Bombe aus einer Limonadendose das russische Passagierflugzeug bei Scharm el-Scheich zum Absturz gebracht haben.