Terrorismus:Ungewöhnlich deutliche Kritik an Erdoğan

Terrorismus: Recep Tayyip Erdoğan dürfte über die neueste Botschaft aus Deutschland nicht erfreut sein.

Recep Tayyip Erdoğan dürfte über die neueste Botschaft aus Deutschland nicht erfreut sein.

(Foto: AP)
  • In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion beschreibt das Bundesinnenministerium, wie die Erdoğan-Regierung islamistische Gruppen im Nahen Osten unterstütze.
  • Die Sympathien der türkischen Regierungspartei AKP für die ägyptische Muslimbruderschaft und für die Hamas sind kein Geheimnis.
  • Vor allem die Deutlichkeit der Wortwahl aus dem CDU-geführten Ministerium hat am Dienstag aber Irritationen ausgelöst.

Von Ronen Steinke

Am politischen Bündnis mit der Türkei hält die Bundesregierung trotz der heftigen Repressionswelle in dem Land fest. Zumindest ein Teil der Bundesregierung hat am Dienstag aber mit ungewohnt deutlicher Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan überrascht. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion beschreibt das Bundesinnenministerium, wie die Erdoğan-Regierung islamistische Gruppen im Nahen Osten unterstütze. Dabei nennt das Ministerium explizit die palästinensische Hamas und die ägyptische Muslimbruderschaft. Zu beiden seien die Beziehungen seit 2011 schrittweise "intensiviert" worden.

Die Türkei habe sich "zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens entwickelt", heißt es in der nicht öffentlichen Einschätzung weiter, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Nicht öffentlich sei sie deshalb, so schreibt der parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder (CDU), weil Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) zugrunde lägen, deren Bekanntwerden die Arbeitsfähigkeit des Dienstes beeinträchtigen könnten; aber auch aus Gründen des deutschen politischen "Staatswohls".

Erst im Juni war Hamas-Führer Maschal in Istanbul zu Gast

Für die mitgeteilte Analyse hätte es im Einzelnen nicht zwingend des BND bedurft. Die Sympathien der türkischen Regierungspartei AKP für die ägyptische Muslimbruderschaft und für die ebenfalls aus der internationalen Bewegung der Muslimbrüder hervorgegangene, im Gazastreifen regierende radikalislamische Hamas sind kein Geheimnis. Erst Ende Juni hatte Erdoğan nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu den Anführer der Hamas, Chalid Maschal, in Istanbul empfangen. Von finanzieller oder anderer materieller Unterstützung ist in dem Bericht nun nicht die Rede.

Was die ägyptische Muslimbruderschaft betrifft, so spricht das Ministerium von indirekter politischer Unterstützung: "So leben zahlreiche exilierte Anführer der Organisation inzwischen in der Türkei. Die ägyptische Muslimbruderschaft hat in den vergangenen Jahren ihre mediale Infrastruktur in der Türkei über eine Reihe von Satellitenkanälen ausgebaut und betreibt über sie Propaganda gegen die amtierende ägyptische Regierung." Lediglich am Rande erwähnt, nicht aber ausgeführt, werden vom Innenministerium zudem "Unterstützungshandlungen" für die "bewaffnete islamistische Opposition in Syrien".

Auswärtiges Amt war nicht eingebunden

Vor allem die Deutlichkeit der Wortwahl aus dem CDU-geführten Ministerium hat am Dienstag aber Irritationen ausgelöst, insbesondere weil das SPD-geführte Auswärtige Amt, das mit der türkischen Regierung jüngst das Flüchtlingsabkommen verhandelt hat, nicht eingebunden war - "aufgrund eines Büroversehens", wie das Innenministerium am Dienstagabend erklärte.

Die außenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, griff die Worte aus dem Innenministerium auf, um die Regierung zu kritisieren: "Es kann nicht angehen, dass man in der Öffentlichkeit den Terrorpaten Erdoğan als Partner bezeichnet, während man intern vor der Türkei als Drehscheibe des bewaffneten Islamismus warnt."

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