Umgang mit deutschen Islamisten:Die Bundesregierung handelt zu spät

Ein IS-Kämpfer 2014 im syrischen Rakka

Ein Kämpfer des "Islamischen Staates" (Archivbild): Fünf Jahre wurde über die nun beschlossene Regel gestritten.

(Foto: REUTERS)

Deutsche können künftig ihre Staatsbürgerschaft verlieren, wenn sie für eine Terrormiliz kämpfen. Für all diejenigen, die bereits ausgereist sind, gilt das nicht. Das wird Folgen haben.

Kommentar von Georg Mascolo

Manchmal fällt es schwer, sich über eine eigentlich gute Nachricht zu freuen. Die große Koalition will nun schnell ein Gesetz auf den Weg bringen, damit diejenigen, die für eine terroristische Miliz kämpfen, die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren. Wer im Namen einer Mordbande wie etwa des sogenannten Islamischen Staates kämpft und tötet, stellt sich gegen die Werteordnung Deutschlands. Ihnen zukünftig die Staatsangehörigkeit zu entziehen - jedenfalls soweit sie eine weitere besitzen und damit nicht staatenlos werden - ist richtig und konsequent. Denn ihre Loyalität gilt nicht mehr Deutschland. Wer ohne Zustimmung des deutschen Staates in einer fremden Armee dient, verliert die Staatsbürgerschaft schließlich heute schon.

Damit enden die guten Nachrichten. Fünf Jahre wurde über eine Regelung gestritten, die ersten Vorschläge stammen aus dem Jahr 2014. Damals machten sich Tausende ausländische Kämpfer, darunter viele aus Deutschland, auf den Weg zum IS. Anfangs verbrannten sie ihre Pässe vor laufenden Kameras und erklärten sich zu Einwohnern des Kalifats. Heute sitzen sie im Irak und in kurdischen Lagern im Norden Syriens in Haft und wollen nach Hause. Unter ihnen sind - und die Zahl steigt laufend - mehr als 70 erwachsene Deutsche. Die USA und die Kurden drängen darauf, dass diese zurückgeholt werden. Das ist eine völkerrechtliche Pflicht, und eine moralische. Die kurdischen Milizen haben bereits den Krieg gegen den IS weitgehend allein geführt. Sie mit den Gefangenen alleinzulassen, wäre falsch.

Die Bundesregierung handelt zu spät

Unter den Festgesetzten sind etliche, die zwei Pässe haben. Ihnen wird man die Staatsbürgerschaft dennoch nicht entziehen können, denn rückwirkend gilt ein solches Gesetz nicht. Es gilt nur für diejenigen, die sich künftig auf die Reise machen wollen. Die Bundesregierung handelt zu spät. Australien etwa hat eine solche Regelung bereits 2015 eingeführt. Da wurde in Deutschland noch debattiert, auf Innenministerkonferenzen, zwischen Innen- und Justizministerium. Schließlich wurde die Sache im Koalitionsvertrag vereinbart. Aber der Streit ging weiter. Sich eine so grundlegende Entscheidung nicht leicht zu machen, ist eine Stärke des Rechtsstaates. Schließlich waren es die Nazis, die mit dem Entzug der Staatsbürgerschaft Schreckliches anrichteten: Juden, aber auch der spätere Bundeskanzler Willy Brandt wurden ausgebürgert.

Dennoch hat es zu lange gedauert, ehe jetzt ein Ergebnis vorliegt. Sicherheitsgesetze folgen leider oft einer schwer nachvollziehbaren Logik. Manche sind überflüssig, andere schädlich. Zu oft geht es darum, was gut aussieht und politisch wirkt. Und nicht darum, was nötig ist. Der Entzug der Staatsbürgerschaft für Islamisten gehört in die zweite Kategorie. Auch weil er hoffentlich die nächste Generation der Terror-Touristen abschrecken wird.

Die Konsequenzen der Versäumnisse in den letzten Jahren wird man genau bemessen können. Kommt es zu einer Rücknahme deutscher Islamisten, werden unter ihnen auch jene sein, die zwei Staatsangehörigkeiten haben. Justiz, Polizei und Verfassungsschutz werden bei einer Rückkehr ohnehin bis an die Grenze des Belastbaren strapaziert werden. Den Islamisten muss der Prozess gemacht werden. Diejenigen, die nicht oder zumindest nicht lange ins Gefängnis kommen, müssen überwacht werden. Dass die Zahl der Rückkehrer größer sein würde, als sie es sein müsste, ist der Preis eines zu späten Handelns.

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