Terrorismus:In den USA ist eine ernsthafte Debatte nicht mehr möglich

San Bernardino

Gedenken an die Opfer von San Bernardino.

(Foto: AP)

Der Angriff in San Bernardino spaltet das Land, Misstrauen vergiftet den Wahlkampf. Nur in einem solchen Klima kann einer wie Donald Trump erfolgreich sein.

Kommentar von Hubert Wetzel

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Es ist Freitag, der 20. Januar 2017, über Washington glänzt eine blasse Wintersonne. Auf den Stufen des Kapitols legt der neue Präsident der Vereinigten Staaten seinen Amtseid ab: "Ich, Donald John Trump, schwöre feierlich . . ."

Donald Trump im Weißen Haus - derzeit ist das noch eher eine Schreckensvision, die Amerika und der Welt hoffentlich erspart bleibt. Doch sollte es so weit kommen, dann hat der 2. Dezember 2015 eine entscheidende Rolle dabei gespielt, jener Tag, an dem zwei junge Muslime im kalifornischen San Bernardino 14 Menschen ermordeten. Es war ein Tag der Wut und der Angst in Amerika. Und der Kandidat der Wütenden und Verängstigten ist Donald John Trump.

Noch ist nicht zweifelsfrei geklärt, warum Syed Rizwan Farook und seine Frau Tashfeen Malik zu Terroristen und Mördern wurden. Doch offenbar sahen sich die beiden als Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Und offenbar war ihr Attentat sorgfältig vorbereitet. Insofern haben die amerikanischen Sicherheitsbehörden durchaus Anlass, sich Sorgen zu machen: Es dürfte in Amerika noch viele unerkannte radikalisierte Muslime geben, die den Dschihad lieber daheim führen wollen als in Syrien oder im Irak. Und denen die US-Verfassung das fast uneingeschränkte Recht gibt, sich dafür beliebig mit Waffen und Munition einzudecken, so wie die beiden Dschihadisten aus San Bernardino.

San Bernardino nutzt vor allem den Rechtspopulisten

In jedem anderen westlichen Land gäbe es nach so einem Massaker ein ernsthafte Debatte: Ist es klug, in Zeiten des globalen Terrorismus an jeder Straßenecke Schnellfeuergewehre feilzubieten? Sollte man Terroristen tatsächlich die Mühe ersparen, sich ihre Mordwerkzeuge heimlich und illegal beschaffen zu müssen - auf Wegen also, auf denen sie ins Blickfeld der Polizei geraten könnten? Und: Was sollte ein Staat, eine Gesellschaft tun, um sich die friedlichen Muslime im Land zu Verbündeten gegen die Extremisten zu machen, anstatt sie an den Rand und den Fanatikern in die Arme zu drängen.

Millionen Menschen werden zu Verdächtigen erklärt

Jedem vernünftigen Menschen sind die Antworten ebenso klar wie die gesetzgeberischen und politischen Konsequenzen, die man ziehen müsste. Doch in den USA ist diese Debatte nicht mehr möglich. Die Waffenlobby und die Politiker, die von deren Geld ihre Wahlkämpfe bezahlen, sind angesichts niedergemetzelter Grundschüler und Kirchgänger nicht weich geworden. Ihr stures, groteskes Argument ist auch jetzt: Wären die Opfer von San Bernardino doch nur selbst gut bewaffnet zu ihrer Weihnachtsfeier gegangen, dann wäre das nicht passiert.

Und so wird in Amerika von denen, die diese irre Logik zu ihrem politischen Programm erhoben haben, eine Scheindebatte geführt. Statt über den Waffenwahnsinn reden die republikanischen Präsidentschaftskandidaten über Amerikas "muslimisches Problem". Ein paar Millionen Menschen, amerikanische Staatsbürger, werden über Nacht zu Verdächtigen erklärt. Der eine Kandidat fordert eine Datenbank, in der alle Bürger erfasst werden, die zu Allah beten statt zu Gott, der andere Kandidat will Moscheen schließen; eins wäre so widerlich und verfassungswidrig wie das andere.

Trump schließlich tischt die alte Lüge von den Muslimen in New Jersey auf, die jubelten, als sie am 11. September 2001 drüben in Manhattan die Türme einstürzen sahen. Diese Hetze begann schon nach den Attentaten in Paris und kochte regelrecht über, als bekannt wurde, dass in Kalifornien kein John Smith, sondern ein Syed Farook um sich geschossen hatte. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass dieser Wahlkampf noch richtig ekelhaft werden könnte.

Trump ist als Kandidat deshalb so erfolgreich, weil er sich einen Dreck um die Regeln kümmert, nach denen eigentlich amerikanische Wahlkämpfe funktionieren. Er beleidigt, er lügt, seine Botschaft ist nichts als blanke Wut. Für Amerikas Probleme präsentiert er den Wählern keine Lösungen, sondern etwas Bequemeres: Schuldige, Sündenböcke. Wenn die Amerikaner jetzt Angst vor ihren muslimischen Nachbarn bekommen, wird Trump keine Hemmungen haben, sie in dieser Angst zu bestärken.

Ein anderer Republikaner, George W. Bush, besuchte in den Tagen nach 9/11 Moscheen. "Islam ist Frieden", sagt er damals den Amerikanern. Es war zumindest ein Versuch zu verhindern, dass das Gift des Misstrauens und der Angst das ganze Land durchtränkt. Heute würde kein republikanischer Kandidat es wagen, diesen Satz auszusprechen, aus Furcht vor Trump und seinen Wutwählern. Noch schlimmer ist vielleicht: Keiner würde es überhaupt wollen.

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