Terrorismus:Erzählungen eines Islamisten

Der Deutsch-Marrokaner Said Bahaji, Mittäter des 11. September und einer der meistgesuchten Männer der Welt, lebt in Pakistan. Das behauptet ein in den USA inhaftierter Deutsch-Afghane.

Hans Leyendecker

Die Bundesanwaltschaft verlangt nun die Auslieferung eines auf einem US-Stützpunkt in Afghanistan gefangen gehaltenen Hamburger Islamisten. "Es wurde ein Überstellungsersuchen auf den Weg gebracht, um ihn hier in Deutschland vor Gericht zu stellen", sagte ein Sprecher der Karlsruher Behörde am Samstag. In der vorigen Woche hatten zwei Spezialisten des Bundesnachrichtendienstes und zwei Experten des Bundesamtes für Verfassungsschutz im US-Militärgefängnis Bagram den militanten Hamburger Islamisten Ahmad S. befragen dürfen. Vor allem auf Berichte des aus Hamburg stammenden Deutsch-Afghanen gingen in den vergangenen Wochen die Terrorwarnungen der US-Behörden zurück.

SAID BAHAJI

Said Bahaji (mit und ohne Bart), Mittäter des New Yorker Terrorangriffs, soll am Leben sein.

Seitdem der 36jährige auf dem amerikanischen Stützpunkt bei Kabul inhaftiert ist und plaudert, kursieren in der Geheimdienst-Szene wilde Szenarien über angeblich in Europa geplante Anschläge, aber für einen großen Plot spricht wenig.

Ein Detail der Erzählungen des 36jährigen interessierte die deutschen Ermittler besonders: Bereits seinen amerikanischen Vernehmern hatte Ahmad S. geschildert, dass er und einige seiner ebenfalls aus Hamburg stammenden Kumpane im Frühsommer dieses Jahres in der pakistanischen Stadt Mir Ali mit dem Deutsch-Marokkaner Said Bahaji zusammen-getroffen seien. Kann das sein - Said Bahaji? Die deutschen Nachrichtendienstler haben so ihre Zweifel.

Der in Haselünne im Emsland geborene Deutsch-Marokkaner Bahaji ist einer der meistgesuchten Männer der Welt. Er war einst in Hamburg ein Adjutant des Todespiloten Mohammed Atta, der am 11.September 2001 eines der entführten Flugzeuge in das New Yorker World Trade Center steuerte. Die CIA und vermutlich diverse andere Geheimdienste jagen Bahaji seit neun Jahren. Auch Zielfahnder des Bundeskriminalamtes haben sich früh auf seine Spur gemacht. Zumeist ist auf den Steckbriefen auch der ebenfalls aus Hamburg stammende Zakariya Essabar abgebildet, der als Ersatzpilot für die Todesflieger eingeplant war. Der Freund Bahajis hatte Osama bin Laden als Kurier die Nachricht überbracht, wann die Jahrhundertoperation stattfinden würde.

Gegen Essabar und Bahaji liegen Haftbefehle wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und mehrtausendfachen Mordes vor. Um Essabar ist es still geworden, um Bahaji gab es immer Spekulationen. Manche Medien nennen ihn den "Terrorlogistiker des 11. September", doch das ist nicht ganz richtig. Er war eher eine Art Verwalter, der sich um die geschäftlichen Angelegenheiten einiger der Todespiloten kümmerte. Mindestens acht Monate hat er in der Terror-Wohngemeinschaft in der Marienstraße 54 in Harburg gelebt. Seine Hochzeit im Oktober 1999 in der früheren Al-Kuds-Moschee im Hamburger Stadtteil St. Georg wurde zu einer Zeremonie der Dschihadisten um Atta. Acht Tagen vor den Attentaten vom 11. September war Bahaji von Hamburg über Istanbul nach Karatschi geflogen. Dann verlor sich fürs erste die Spur.

Angeblich wollen andere Gotteskrieger den Formel 1-Fan, der früher nicht gerade als Islam-Kenner galt, im Kampf gegen die Amerikaner erlebt haben. Angeblich nannte er sich "Abu Zuhair". Angeblich war er am Bein verwundet worden und soll die Wunde mit Honig gepflegt haben. Der Mann, der seit Jahren Ziel weltweiter Ermittlungen ist, hat sich etliche in Male in Deutschland telefonisch oder per E-Mail gemeldet. Er suchte immer wieder Kontakt zu seiner Frau und zu seiner heute 77 Jahre alten Mutter. Das letzte Telefonat mit der Mutter wurde von den Fahndern 2007 aufgezeichnet.

Im vorigen Herbst präsentierten pakistanische Soldaten bei einer Operation in Süd-Waziristan ausländischen Journalisten den deutschen Pass Bahajis, ausgestellt am 2. August 2001 in Hamburg. Angeblich hatten sie das Dokument in einem Haus eines Extremisten gefunden - eine befremdlich anmutende Geschichte.

Kann man Ahmad S. glauben, wenn er erst den Agenten von der CIA und jetzt auden deutschen Experten erzählt, einer der meistgesuchten Gotteskrieger sei nicht nur am Leben, sondern auch aktiv? Trifft sich ein Mann vom Kaliber Bahajis, der in Dschihadisten-Kreisen als Veteran des 11. September eine Legende geworden ist, in Pakistan mal eben mit Mitgliedern einer Reisegruppe militanter Islamisten aus Deutschland, die irgendwie gegen die Ungläubigen kämpfen wollen? Angeblich waren bei dem Treffen mit Bahaji auch Shahab D. und Naamen M. dabei. Der Deutsch-Iraner Shahab D. alias "Abu Askar" hat es zu einiger Bekanntheit gebracht, weil er auf Fotos im Internet mit einem riesigen Messer posierte. Der gebürtige Franzose Naamen M. soll, wie der Spiegel berichtet, in Hamburg zum Umfeld der Todespiloten gehört haben. Beide sollen angeblich, ebenso wie der Deutschtürke Bünyamin E. vorige Woche bei einem Drohnenangriff der Amerikaner in Pakistan ums Leben gekommen sein. Gesichert ist diese Information nicht. Sie ist aber nicht ganz so vage wie viele der umlaufenden Geschichten über die Szenarien für einen Anschlag.

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