Ludmilla S. hat Abu Walid bereits kurz nach ihrer Ankunft Ende Juni einen großen Dienst erwiesen. Sie ist mehr als ein einfaches Opfer, das einem Kämpfer vor dessen Ableben Freude bereiten soll. Ludmilla S. übernimmt eine wichtige strategische Aufgabe für den Emir. Sie übersetzt dessen Propagandaschrift mit dem Titel "Die Weisheit macht Pause" binnen weniger Tage aus dem russischen Original ins Deutsche.
Der Text ist fehlerfrei, die Grammatik korrekt, er zeugt davon, dass die Verfasserin gebildet ist, und auch, dass sie sich - anders als viele der ausgereisten Mädchen - im Islam bestens auskennt. Interessant ist diese Schrift aber vor allem deshalb, weil sie schildert, wie eine andere dschihadistische Gruppierung die Entstehung des Kalifats bewertet.
Empörung über den IS
Und zwar als Affront, als "unerwarteten Schlag", als Anmaßung. Gerade einmal 2000 Kämpfer hätten sich erdreistet, 50 000 andere Gotteskrieger zu vereinnahmen. Der IS, den Dschunud-al-Scham-Anführer Abu Walid schildert, ist ein wilder Haufen, der die Grundregeln eines ordentlichen Dschihad missachtet. Eines Dschihad, wie ihn die Gelehrten fordern, und die weiß Abu Walid auf seiner Seite.
Der IS verhalte sich in vielerlei Weise unehrenhaft, weil er Militärbasen anderer islamistischer Gruppen überfällt, weil er anderen Kämpfern Waffen stiehlt, Lebensmittel und Fahrzeuge plündert. Und er habe, um zu wachsen, alle aufgenommen, "die bis dahin jeder abgelehnt hat". Die Akquise der neuen Dschihadisten laufe auch über das Internet, mittels Lügen über vermeintliche Erfolge, die so nie stattgefunden hätten. Nicht, dass Abu Walid seinerseits einen Islamischen Staat ablehnen würde, im Gegenteil. Doch die Emporkömmlinge des IS würden auf Verdacht Menschen erschießen und nicht erst, nachdem ein ordentliches Scharia-Gericht die Strafe verkündet habe. "Ich kann mit Gewissheit sagen, dass hier im Land des Sham die Weisheit eine Pause macht", schließt Abu Walid und übersetzt die Deutsche Ludmilla S.
Dschihadistin ließ ihren zehnjährigen Sohn an der Waffe ausbilden
Auch wenn Dschunud al Scham erst nach dem Urteil des Gerichts Köpfe abschneiden und andere Todesurteile vollstrecken möchte - Ludmilla S. und ihre Gefährten vertreten einen ebenso gewalttätigen Islam. Aus deutschen Sicherheitskreisen ist zu erfahren, dass die junge Mutter ihren zehnjährigen Sohn Leon von der Terrormiliz nicht nur religiös unterweisen ließ, sondern auch an der Waffe. Der Junge soll nach dem Willen seiner Mutter Wachdienste übernehmen können. Und diese Mutter soll nach Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden auch Sympathien geäußert haben, als der IS einen jordanischen Piloten auf grausamste Art bei lebendigem Leib verbrannte.
Auch hier unterscheidet sich Ludmilla S. deutlich von vielen anderen ausgereisten Frauen: Für viele dieser Dschihad-Mädchen sind martialische Bilder wie die von der Verbrennung des Piloten nämlich vor allem eines: böswillige Propaganda des Westens, der Kuffar, der Ungläubigen.