Der Untersuchungsausschuss im Bundestag zum Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz verlangt weitere Aufklärung über womöglich brisante Hinweise eines V-Mannes des Verfassungsschutzes in Mecklenburg-Vorpommern. Dieser hatte behauptet, der Attentäter Anis Amri habe über bislang unbekannte Helfer in Berlin verfügt.
Bei dem Anschlag im Dezember 2016 waren zwölf Menschen gestorben, der Attentäter wurde wenig später in Italien von Polizisten erschossen. Seither versuchen Sicherheitsbehörden und Politik, die Hintergründe auszuleuchten.
Im Oktober 2019 hatte sich ein ehemaliger Verfassungsschützer aus Schwerin beim Generalbundesanwalt gemeldet und behauptet, er habe Anfang 2017 von einer Quelle wichtige Informationen zum Attentäter Anis Amri und möglichen Unterstützern erhalten. Seine Vorgesetzten hätten ihm allerdings untersagt, diese Informationen an die Ermittler weiterzuleiten. Mit der Begründung, die Aussagen seines V-Manns seien nicht glaubwürdig.
Mittlerweile wurden der Ex-Verfassungsschützer, weitere Mitarbeiter der Behörde in Schwerin sowie der besagte V-Mann von den Bundesanwälten und den Ermittlern des Bundeskriminalamtes (BKA) vernommen. Der Spitzel soll dabei bestätigt haben, dass er kurz nach dem Anschlag am 19. Dezember 2016 brisante Aussagen mitbekommen habe - teilweise durch belauschte Telefonate.
Der V-Mann war im Zuge der geheimen Verfassungsschutzaktion "Opalgrün" auf eine arabische Großfamilie in Berlin-Neukölln angesetzt worden, die angeblich in Anschlagsplanungen während des muslimischen Fastenmonats Ramadan 2016 verwickelt gewesen sein soll. Ein Sachverhalt, der sich bislang allerdings nicht bestätigt hat.
Unterstützung vor und nach der Tat
Mitglieder der besagten Familie, so der V-Mann, hätten Amri jedoch vor und nach seiner Tat unterstützt. Es sei etwa darüber gesprochen worden, Amri mit einem Fluchtwagen nach Frankreich oder in die Niederlande zu fahren. Außerdem hätten diese Personen von Amris Anschlagsplänen gewusst und ihren Unmut darüber geäußert, dass es nicht mehr Tote gegeben habe. Amri sei ein Esel, so soll ein Familienmitglied erklärt haben, denn er sei von der falschen Seite in den Weihnachtsmarkt gefahren.
"Wir müssen aufarbeiten, was in Mecklenburg-Vorpommern schief gelaufen ist", fordert der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser. Es stelle sich die Frage, warum offensichtlich nicht alle Erkenntnisse an die Ermittlungsbehörden übermittelt wurden. Es sei "unerklärlich, warum solch potenziell relevante Informationen nicht weitergegeben wurden", meint auch der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. Es sei ein "schweres Versäumnis", dass die Sicherheitsbehörden die kriminellen Hintergründe des Attentäters Amri bislang unzureichend aufgeklärt hätten.
Nun lägen jedoch ausreichend Hinweise vor, erneut gegen potenzielle Anstifter und Helfer aktiv zu werden, findet die Linke-Abgeordnete Martina Renner und fordert: "Wenn das Ziel die Aufklärung des schwersten dschihadistischen Terroranschlags ist, müssen die Verantwortlichen jetzt handeln."
Im November sollen der ehemalige Verfassungsschützer aus Mecklenburg-Vorpommern sowie sein damaliger Vorgesetzter als Zeugen im Untersuchungsausschuss im Bundestag befragt werden. Der Ausschuss befasst sich seit März 2018 mit dem Anschlag am Breitscheidplatz. Das BKA ist indes weiter damit beschäftigt, die Hinweise zu den angeblichen Helfern Amris zu untersuchen.