Terrorismus:Amerikas Feind hilft Trump

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Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Tampa/Florida einen Tag vor dem Anschlag in Orlando. (Foto: AP)

Nach Orlando könnte der Präsidentschaftskandidat an Zustimmung gewinnen. Doch der Anschlag beweist, wie komplex der neue Terror ist - und dass Trumps Methoden ungeeignet sind, ihn zu bekämpfen.

Kommentar von Nicolas Richter

Es ist das Szenario, vor dem sich alle Gegner Donald Trumps so fürchten: Der republikanische Hetzredner liegt in den Umfragen für die Präsidentschaftswahl zwar lange Zeit zurück, aber dann passiert ein Terroranschlag, die Stimmung kippt, das Land verlangt nach einem Anführer, der die Pose des starken Mannes beherrscht, und dann ist Trump plötzlich das Staatsoberhaupt der USA. Im Jargon Washingtons heißen Ereignisse dieser Art "October surprise", weil sie den Wettbewerb um das Weiße Haus am meisten beeinflussen, wenn sie im Herbst geschehen, kurz vor der Abstimmung.

Der Massenmord in Orlando ist keine Oktober-Überraschung, dafür ist es noch zu früh. Doch er ist allemal ein sehr verstörender Anschlag auf die Freiheit, der schwerste in Amerika seit dem 11. September 2001. Und er erinnert daran, was bis zur Wahl im November noch alles passieren kann. Trump verlangt seit Monaten, sämtlichen Muslimen Einreiseverbot zu erteilen, er befürwortet es auch, Terroristen zu foltern oder deren Familien umzubringen. All dies ist zwar gefährlicher Unfug, aber Trumps Aufstieg beweist, dass dies bei vielen Wählern ankommt. Vermutlich wird die Gruppe der Trump-Sympathisanten nach dem jüngsten Anschlag wachsen, und sogar noch mehr, falls es in den USA zu weiteren Attentaten kommt.

Die Täter entziehen sich dem riesigen Überwachungsapparat

Trumps Wahlkampf besteht im Kern darin, dass er die Angst vor äußeren Gefahren schürt und Schutz durch Abschottung verspricht. Er verlangt, eine Mauer zu bauen gegen illegale Einwanderer und an den Grenzen sämtliche Muslime zurückzuweisen. Durch den Massenmord in Orlando fühlt er sich bestätigt, dabei beweist der Anschlag nur, wie komplex der neue Terror ist, und wie wenig Trumps Brachialmethoden geeignet sind, ihn zu bekämpfen. Der Täter von Orlando war eben keiner von draußen, sondern seit der Geburt US-Bürger, und es ist noch gar nicht erwiesen, dass er je mit einem ausländischen Terroristen geredet hat.

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Vielleicht war Omar Mateen ein von Gewaltphantasien getriebener Homosexuellenhasser, vielleicht war er psychisch krank. Dem Islamischen Staat können die Motive des Schützen völlig gleichgültig sein.

Analyse von Tomas Avenarius

Während der Terror vom 11. September 2001, oder 9/11, noch aufwendig organisiert und inszeniert war, ist der vom 12. Juni 2016, oder 6/12, der des Einzelgängers, des "einsamen Wolfs". Alle Anschläge, die Amerika seit 2001 getroffen haben, folgen diesem neuen Muster, der in Orlando war nur der tödlichste. Die Täter sind allein oder gehören zu winzigen, familiären Zellen, wie die Zarnajew-Brüder in Boston oder das Ehepaar aus San Bernardino. Sie entziehen sich dem gigantischen US-Überwachungsapparat und fühlen sich angestachelt von der Mord-Ideologie der radikalsten Islamisten, gegen die keine Trumpsche Mauer hilft.

Präsident Barack Obama hat zu Recht daran erinnert, wie leicht es die USA jedem Verirrten und Verwirrten machen, sich mit den tödlichsten Waffen einzudecken. Obama hat vergeblich versucht, daran etwas zu ändern. Aber die Tat erinnert auch an seine eigenen Versäumnisse. Nach den wilden Bush-Jahren hat er Amerika Frieden und Versöhnung versprochen und damit vieles richtig gemacht. Aber er hat mit seinem Rückzug auch ein Machtvakuum geschaffen, in dem der IS nun wuchern und sich als neue globale Autorität für Tod und Zerstörung inszenieren kann. Und wie schon vor den Bostoner Anschlägen war seine Bundespolizei FBI auch im Fall Orlando dem späteren Attentäter auf der Spur, ließ ihn dann aber unbeobachtet zurück.

Clinton bewirbt sich für Obamas dritte Amtszeit

Im Wahlkampf ist Obama also angreifbar, und mit ihm die demokratische Kandidatin Hillary Clinton. Sie bewirbt sich im Wesentlichen für eine dritte Amtszeit Obamas und muss sich deswegen auch seine Misserfolge zurechnen lassen. Clinton ist zwar interventionistischer als Obama; aber sie wird dem Volk nur schwer beweisen können, dass sie den IS rechtzeitig eingedämmt hätte. Entscheidend aber ist etwas anderes: Clinton teilt mit Obama eine Besonnenheit im Umgang mit der Welt. In aufgebrachten Zeiten wie diesen aber wird ihr das von skrupellosen Gegnern wie Trump als Schwäche ausgelegt. Sollten also bis zum Wahltag weitere Anschläge geschehen, könnten Furcht und Zorn Trump im November über die letzte Hürde helfen.

Die Terroristen vom 11. September mögen ein Jahrzehnt geprägt haben, aber die Lehre von damals ist auch, dass ein Jahrzehnt nicht nur von der Tat definiert wird, sondern auch von der Antwort. Das Gleiche gilt für die 6/12-Zeit: Der Terrorist mordet, aber das Land beschließt, was daraus folgt, und in diesem Fall entscheidet sogar das Volk selbst. Sollte es Donald Trump wählen, so entschiede es sich für Unberechenbarkeit, für die Missachtung der Grundrechte, für fortgesetzte Affronts gegen alle Muslime, für neue Radikalisierung. Es wäre die Katastrophe nach der Katastrophe, die das Land gerade in Orlando heimgesucht hat.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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