Dem sogenannten Islamischen Staat sind offenbar hochbrisante Dokumente mit den Namen seiner ausländischen Kämpfer abhandengekommen. Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR liegen mehrere Dutzend als "geheim" eingestufte Dokumente des IS mit Informationen zu deutschen Kämpfern vor. Das Material soll aus Befragungen von IS-Anhängern stammen, die direkt bei der Einreise in das von der Terrororganisation beherrschte Gebiet in Syrien stattfanden.
Name, Kampfname, Jihad-Erfahrung
Jeder IS-Freiwillige muss gegenüber der sogenannten General-Grenz-Verwaltung Angaben zu 23 Fragen machen. Neben Name, Kampfname und vorherigem Wohnort werden auch Informationen zu Schleusern, Angehörigen, Bürgen, religiöser Bildung und sogenannter Dschihad-Erfahrung abgefragt. Die Einreisenden können zudem angeben, ob sie beispielsweise als Kämpfer oder Selbstmordattentäter eingesetzt werden wollen.
Die Dokumente sind offenbar Teil eines größeren Datenlecks, das Tausende solche Personalbögen umfassen soll und inzwischen zumindest in Teilen verschiedenen Sicherheitsbehörden bekannt ist. "Wir gehen davon aus, dass es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um echte Dokumente handelt", erklärte das Bundeskriminalamt SZ, NDR und WDR. Auch die von den drei Medien vorgenommenen Überprüfungen der Papiere sprechen für ihre Authentizität.
Informationen über einflussreiche Deutsche
Aus den Unterlagen ergibt sich auch, welche Deutschen beim IS offenbar über besonderen Einfluss verfügen und wer für neue Rekruten bei deren Einreise als "Bürge" agiert. Unter ihnen befindet sich der deutsche Islamist Christian Emde, der den Publizisten Jürgen Todenhöfer bei dessen Reise durch das IS-Territorium begleitete.
Das Leck beim IS soll nun helfen, Mitgliedern der Terrortruppe den Prozess zu machen. In Deutschland ist der Generalbundesanwalt informiert, die Papiere werden bei der Strafverfolgung von IS-Rückkehrern genutzt. Deren Zahl wird in Deutschland auf 260 geschätzt. Die Verfahren sind oft schwierig, weil die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schwer nachweisbar ist. So finden sich in den Dokumenten die Namen von Islamisten, die nach ihrer Rückkehr nach Deutschland bisher unbehelligt blieben - sie stritten ab, beim IS gewesen zu sein.
"Wichtig. Hat chemische Kenntnisse."
Auch könnte es zur Ausweitung von Verfahren kommen: So ließ sich dem Frankfurter Islamisten Abdulkarim B. bisher nicht nachweisen, dass er beim IS war - vor dem Landgericht Frankfurt wurde deshalb nur Anklage wegen "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" und unerlaubten Waffenbesitzes erhoben. Nun liegt den Ermittlungsbehörden auch sein Einreisebogen vor; demnach schloss er sich im September 2013 dem IS an.
Aus den Papieren ist ersichtlich, dass der IS schon bei der Einreise nach Spezial-Qualifikationen neuer Rekruten fragt. So notierten sie bei einem Münchner Chemiestudenten: "Wichtig. Hat chemische Kenntnisse." Nach US-Erkenntnissen stellt der IS Giftgas her und soll etwa Senfgas in Syrien und im Irak eingesetzt haben.