Für Ermittler ist eine Wohnungsdurchsuchung bei Kriminalfällen fast schon alltägliche Arbeit. Seit Jahrzehnten ist in der Strafprozessordnung klar geregelt, wie die Fahnder vorgehen müssen. Nur Richter oder Staatsanwälte können diesen weitreichenden Grundrechtseingriff anordnen. Geheim sind Razzien nie. Betroffene bekommen einen Durchsuchungsbeschluss und erfahren vor der Maßnahme schwarz auf weiß, warum die Polizei die Räume betritt.
Dem Bundesinnenministerium reichen diese Befugnisse in besonders bedrohlichen Terrorlagen nicht mehr aus. Das Ressort von SPD-Politikerin Nancy Faeser will noch weiter gehen und dem Bundeskriminalamt auch bislang unmögliche heimliche Durchsuchungen von Wohnungen erlauben. So geht es aus einem 66-seitigen Referentenentwurf hervor, über den die Süddeutschen Zeitung am Mittwoch berichtete. Zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus sieht der Entwurf eine Befugnis zum verdeckten Betreten von Wohnungen vor – entweder um dort eine Online-Durchsuchung und Telekommunikationsüberwachung oder eine Hausdurchsuchung vorzunehmen. Mit dem Justizminister ist diese Idee aber keinesfalls umsetzbar. In deutlichen Worten erteilte Marco Buschmann (FDP) dem Vorhaben am Donnerstag eine Absage.
„Es wird keine Befugnisse zum heimlichen Schnüffeln in Wohnungen geben“, sagte der FDP-Politiker der Bild-Zeitung. „Im Staat des Grundgesetzes machen wir so etwas nicht. Das wäre ein absoluter Tabubruch.“ Und weiter „Sollte jemand das ernsthaft vorschlagen wollen, wird ein solcher Vorschlag weder das Kabinett passieren, noch wird es eine Mehrheit im Parlament dafür geben.“
„Hohe Hürden“ und „Ultima Ratio“
Das Innenministerium verfolgt das Ziel, das BKA vor allem für Ermittlungen unter Zeitdruck mit weitreichenden Kompetenzen auszustatten. Die Maßnahmen sollten letztlich nur dann erlaubt sein, wenn „eine konkretisierte Gefahrenlage hinsichtlich der Vorbereitung eines terroristischen Anschlags im Raum steht und nur noch Unsicherheit dahin gehend besteht, in welchem konkreten Stadium sich die Tatplanung befindet“, heißt es wörtlich in dem Entwurf zur Begründung. Die Sicherheitsbehörden bräuchten schließlich zeitgemäße Befugnisse, um Tatverdächtige oder Gefährder insbesondere im Bereich von Terrorismus sowie schwerer und organisierter Kriminalität sowohl schnell als auch effektiv identifizieren und lokalisieren zu können, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Allerdings schränkte das Ministerium schon im Entwurf ein, möglich solle das alles nur „unter sehr hohen Hürden als Ultima Ratio“ werden.
Selbst wenn nur Ausnahmefälle dieses Vorgehen rechtfertigen sollen: Seit der Entwurf am Dienstag bekannt wurde, schlagen die Wellen hoch. Auch innerhalb der Regierung ist der Vorstoß umstritten. Die Liberalen blockieren etwa seit Monaten auch andere Vorstöße Faesers, die dem BKA mehr Kompetenzen verschaffen sollen. Dazu gehört etwa der Plan, Telekommunikationsunternehmen zur anlasslosen Speicherung von IP-Adressen zu zwingen.
Der DJV-Vorsitzende fühlt sich an Polizeistaaten erinnert
Auch über die Politik hinaus löste das Vorhaben Wirbel aus. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) lehnt die Vorschläge des Innenministeriums ab. Der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster warnte am Mittwoch vor Auswirkungen heimlicher Wohnungsdurchsuchungen auf Journalistinnen und Journalisten: „Heimliche Einbrüche erinnern an die Methoden von Polizeistaaten, aber nicht von freiheitlichen Demokratien“, sagte Beuster. Dabei drohe der Informantenschutz auf der Strecke zu bleiben.
Die Fahnder allerdings mahnen angesichts wachsender Terrorgefahren in Deutschland seit Monaten neue Möglichkeiten der Gefahrenabwehr an. So könne ein Ziel der verdeckten Durchsuchung von Wohnungen sein, mögliche Tatmittel ohne Wissen des Betroffenen unbrauchbar zu machen, erklärt das Innenministerium in seinem Entwurf. So könne Munition ausgewechselt oder ein Grundstoff für die Sprengstoffherstellung ausgetauscht werden, um einen Anschlag zu verhindern.
Auch das Abhören von Verdächtigen soll damit effektiver möglich sein. Der physische Zugriff auf IT-Geräte sei die „technisch sicherste und schnellste Möglichkeit“, um Software zu installieren, die für den Zugriff auf informationstechnische Systeme notwendig sei. Auch diese Maßnahme solle jedoch „ausschließlich zum Zweck der Gefahren des internationalen Terrorismus“ erlaubt sein. Aber das war alles vor Buschmanns Ansage.