Terrorbekämpfung in Nahost:Jemen stemmt sich gegen al-Qaida

In Jemen tobt ein stiller Kampf zwischen Regierung, al-Qaida und Drohnen des US-Militärs. Jetzt kann der neue Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi erste Erfolge aufweisen - doch viele befürchten noch immer, dass sich das Land zu einem zweiten Somalia entwickelt.

Sonja Zekri

Am Ende kamen die Bulldozer. Fünf Planierraupen zerlegten die Zelte in den Straßen zum "Platz des Wandels" in der Nähe der Universität der jemenitischen Hauptstadt Sanaa, 16 Monate nach Ausbruch des Aufstandes gegen Präsident Ali Abdullah Salih. Einige Demonstranten gingen freiwillig, andere waren schon zurückgekehrt zu ihren Familien.

Yemen protesters affirm to stay in tents squares until demands me

Noch immer protestieren diese Frauen in Jemen gegen Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh. Erst vor wenigen Tagen hatte die neue Regierung ein Protestcamp in Jemens Hauptstadt Sanaa räumen lassen.

(Foto: dpa)

Zwar bleiben noch ein paar Zelte stehen. Auch das Lager der Friedensnobelpreisträgerin Tawakkul Karman soll noch nicht abgerissen werden. Aber Jemen, ein Armenhaus mitten im Petrodollarluxus der arabischen Halbinsel, widmet sich nach dem Willen seines neuen Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi nun anderen Problemen.

Die jugendlichen Protestierenden hatten flankiert von diplomatischer Hilfe aus den Golfstaaten und dem Westen erreicht, dass Präsident Ali Abdullah Salih im Februar die Macht an seinen Vizepräsidenten Mansur Hadi übergab - ein Transfer, über den in Washington inzwischen auch als Exit-Strategie für den Syrienkonflikt diskutiert wird. Für den Westen, vor allem Amerika, das Jemen vornehmlich unter Anti-Terror-Aspekten betrachtet, ist damit ein wichtiger Schritt getan.

Hunderte Gotteskrieger kommen bei Kämpfen ums Leben

Die Armee war während des Aufstands in der Hauptstadt Sanaa konzentriert, wo es zu Gefechten mit aufständischen Stämmen kam, während die Truppe vor einer Zerreißprobe stand angesichts unterschiedlicher Loyalitäten zu den Kommandeuren des Salih-Clans und einem einflussreichen General auf der Seite der Salih-Gegner.

Nach der Beruhigung der Lage in Sanaa bemühen sich der Präsident und seine amerikanischen Verbündeten nun, die Kontrolle über jene Städte im Süden wiederzuerlangen, die inzwischen von militanten Islamisten beherrscht werden. Zwar erfüllen die Dschihadisten keine staatlichen Aufgaben, ihre Herrschaft besteht wohl vor allem darin, Kontrollposten zu errichten und die Bevölkerung einzuschüchtern. Dennoch hat sich ihr Machtbereich deutlich ausgeweitet.

Bei der jetzigen Offensive wurden in den vergangenen Wochen Hunderte Gotteskrieger getötet oder verletzt. Allein am Donnerstag kamen bei Kämpfen am Rande der Stadt Dschaar 20 Mann der Ansar al-Scharia ("Scharia-Partisanen") ums Leben, einem Verbündeten des Terrornetzwerkes al-Qaida.

Amerikas stiller Krieg

Verglichen mit den aufwendigen Einsätzen in Afghanistan und Irak führt Amerika in Jemen einen fast unsichtbaren Krieg, in dem es auf Drohnen und Hunderte Militärberater setzt. Dabei hilft ihnen, dass der neue Präsident Mansur Hadi über mehr Legitimität verfügt als zuletzt sein Vorgänger. Allerdings wird ein großer Teil der Armespitze noch immer von Angehörigen des Salih-Clans kommandiert, die ein Vermögen an amerikanischer Militärhilfe im Kampf gegen al-Qaida erhalten haben und die der neue Staatschef erst nach und nach ablösen kann.

Der jemenitische Ableger al-Qaidas, "Al-Qaida in the Arabian Peninsula", kurz Agap, könnte zudem weiter an Bedeutung gewinnen, nachdem eine US-Drohne Abu Jahja al-Libi, den Vizechef des Terrornetzwerkes, in Pakistan getötet hat. Schon jetzt geht die größte Bedrohung für Amerika durch al-Qaida von Jemen aus: Hier wurden in den vergangenen Jahren drei - gescheiterte - Anschläge auf Passagierflugzeuge nach Amerika geplant, darunter ein Versuch, eine Bombe in einer Unterhose zu verstecken.

Der jüngste Plan flog vor ein paar Wochen auf, als sich ein vermeintlicher Selbstmordattentäter als Doppelagent für den saudischen, britischen und amerikanischen Geheimdienst erwies. Al-Qaida in Jemen ist nach einem Jahr des Aufstandes stärker, größer und entschlossener geworden.

Jemen könnte zum zweiten Somalia werden

Trotz der politischen Beruhigung ist die Gefahr nicht gebannt, dass Jemen ein gescheiterter Staat wird wie Somalia auf der anderen Seite des Golfs von Aden. Die sezessionistischen Bestrebungen im Süden und der aufständischen schiitischen Huthi im Norden bedrohen die Einheit, auch wenn die Huthi zuletzt Dialogbereitschaft signalisierten.

Zehntausende Jemeniten sind auf der Flucht. In Jemen, dem jüngsten und ärmsten arabischen Land, leben mehr als 40 Prozent der Menschen von weniger als zwei Dollar am Tag, jeder zweite im erwerbsfähigen Alter ist arbeitslos. Millionen sind unterernährt, vor allem Kinder. Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungerkatastrophe.

Zu den neuen Problemen kommen alte Sorgen: Jemen trocknet aus. In zehn Jahren könnte Sanaa die erste Hauptstadt der Welt sein, die komplett austrocknet. Ein großer Teil des Wassers fließt in den Anbau von Kat, einer milden Volksdroge.

Jemens reiche Nachbarn wie Saudi-Arabien, aber auch westliche Länder haben nun Hilfe in Höhe von vier Milliarden Dollar zugesagt, laut Kritikern zu wenig, um das Loch im Haushalt zu stopfen. Wenn Präsident Mansur Hadi dafür keine Lösung findet, dürften bald neue Zelte auf dem Platz des Wandels stehen.

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