Terrorbekämpfung:Anders als bei der RAF

Im Gegensatz zu den Siebzigern wissen die Ermittler heute fast alles über Terrorverdächtige. Der Kampf gegen deutsche Islamisten wird mit großem Aufwand geführt - und bislang auch erfolgreich.

Hans Leyendecker

Der deutsche Islamist Eric Breininger wirkt auf den ersten Blick ein bisschen merkwürdig. Mit unsicherem Blick und einer Kalaschnikow fuchtelnd hat der junge Saarländer in Propaganda-Videos dem deutschen Volk den Krieg erklärt.

Terrorbekämpfung: Eric Breininger war eine Weile Staatsfeind Nummer eins - doch die Suche nach ihm, auch mittels Fahndungsplakaten, verlief ergebnislos.

Eric Breininger war eine Weile Staatsfeind Nummer eins - doch die Suche nach ihm, auch mittels Fahndungsplakaten, verlief ergebnislos.

(Foto: Foto: Getty)

Deutschland müsse sich aus Afghanistan raushalten, tönte der 21-Jährige am Hindukusch: "Wir" werden "den Krieg weiterführen, bis unsere Länder" zurückerobert sind.

Er - wir - wer? Der aus dem saarländischen Neunkirchen stammende junge Mann war eine Weile Staatsfeind Nummer eins. Im Herbst vergangenen Jahres hatte das Bundeskriminalamt ihn zur Fahndung ausgeschrieben, weil er angeblich mit seinem Freund Houssain al-Malla auf dem Rückweg aus einem Terrorcamp in die Bundesrepublik war, um hierzulande einen Anschlag zu begehen. Ein V-Mann hatte dem saarländischen Verfassungsschutz einen heißen Tipp gegeben.

Fahndungsplakate wurden gedruckt, das Bundeskriminalamt richtete eine Sonderkommission "Reise" ein, die Länderpolizeien waren alarmiert. In Serbien wurde Breininger angeblich in einem alten roten Mercedes 190 in Begleitung von zwei Personen gesehen.

Am Frankfurter Flughafen auch. Insgesamt gab es mehr als 400 Hinweise, die alle ins Nichts führten. Die Fahndung war ein Flop. Die Sonderkommission wurde aufgelöst. Breininger und al-Malla sind damals vermutlich im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet geblieben.

Kampf gegen religiöse Wirrköpfe

Die Geschichte des jungen Mannes, der in Saarbrücken einige Zeit in einer Wohngemeinschaft mit Daniel Schneider (von der "Sauerland-Gruppe") zusammenlebte, ist nur ein Teilstück eines Wettlaufs zwischen verdächtigen Islamisten und Sicherheitsbehörden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst gehen davon aus, dass in den vergangenen Jahren etwa 50 Extremisten, unter ihnen viele Konvertiten wie Breininger, in Terrorcamps ins afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet gezogen sind, um sich auf den "Heiligen Krieg" vorzubereiten. Einige von ihnen haben sich in die Luft gesprengt, andere sitzen in Gefängnissen.

Der Kampf gegen diese religiösen Wirrköpfe, die ihre Welt in Gläubige und Ungläubige unterteilen, wird von den deutschen Sicherheitsbehörden mit großem Aufwand und - bislang zumindest - mit Erfolg geführt. Die Staatsschützer, Nachrichtendienstler und Polizisten haben auf deutschem Boden ein halbes Dutzend Attentate verhindert und sie wissen vieles über die sogenannten Gefährder.

Sie beobachten die Rekrutierungsszene, die ihren Schwerpunkt mittlerweile im Rheinland und im hessischen Rhein-Main-Gebiet hat. Außerdem ist es gelungen, in die Szene V-Leute einzuschleusen. Ihre Telefongespräche werden abgehört, sie werden teilweise rund um die Uhr observiert.

Im Raum Bonn etwa sind die Ermittler derzeit besonders aktiv. Diverse Ermittlungsverfahren laufen. Regelmäßig werden mutmaßliche Islamisten zu Vernehmungen vorgeladen - immer mit denselben Fragen: Wer rekrutiert wen auf welchen Wegen?

Noch sind Verdächtige nur verdächtig

Der Kampf gegen diese Art des Terrorismus verläuft ganz anders als der Kampf gegen die Rote-Armee-Fraktion (RAF). Damals hatten die Fahnder oft keine Ahnung, wer die Gegenüber wirklich waren. Über die Traumtänzer unserer Zeit wissen sie fast alles.

Es ist ein verwirrendes Geflecht. Seit 2008 haben sich drei verschiedene Terrororganisationen, die ihre großen Netzwerke am Hindukusch haben, mit deutschsprachigen Videos zu Wort gemeldet, um für den Dschihad und menschliches Kanonenfutter zu werben.

Einerseits ist die Inkubationszeit für die Radikalisierung jüngerer Leute immer kürzer geworden, andererseits sind die seit Jahren Verdächtigen immer noch nur verdächtig. Anschläge auf deutsche Ziele sind dennoch nicht auszuschließen.

"Wenn es wirklich zu einem Anschlag in Deutschland kommen sollte", meint ein hochrangiger Sicherheitsbeamter, "wird höchstwahrscheinlich unter den Tätern jemand sein, den wir gut kennen." Dann werde es "Vorwürfe hageln" und die Sache werde für einige Spitzenbeamte dann zum "Edeka-Fall" werden. Das ist nicht Arabisch, sondern Beamten-Deutsch und meint "Ende der Karriere".

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