Terroranschlag in Schweden:"Die Lage ist sehr ernst"

Terrorangst in Schweden: Nach den Explosionen in Stockholm steht fest, dass die Stadt nur knapp einer Katastrophe entgangen ist. Offenbar handelt es sich um einen islamistisch motivierten Anschlag, die Sicherheitspolizei ermittelt. Ministerpräsident Reinfeldt erklärt, der Terroranschlag werde seine Regierung nicht vom Kurs abbringen.

Nach einem gescheiterten Anschlag in der Stockholmer Innenstadt geht in Schwedens Hauptstadt die Angst vor dem Terror um. Am Sonntagmorgen zog die schwedische Sicherheitspolizei Säpo die Ermittlungen an sich. "Die Lage ist sehr ernst", sagte Sprecher Anders Thornberg den sichtlich bedrückten Journalisten bei einer Pressekonferenz in Stockholm, zu der auch zahlreiche ausländische Medienverteter erschienen waren.

Explosion einer Autobombe in Stockholm

Die Angst nach dem Anschlag: Polizisten patroullieren in der Stockholmer Innenstadt, die am Samstag von zwei Explosionen erschüttert wurde.

(Foto: dpa)

Es war gegen 17 Uhr am Samstag, als in der belebten Einkaufsstraße Drottinggatan ein Auto explodierte. Zwei Menschen wurden leicht verletzt, die Passanten flohen in Panik. Nur wenige Minuten später erschütterte eine zweite Explosion in nur 200 Metern Entfernung die Bryggergatan, ein Mann lag tot auf dem Pflaster - der mutmaßliche Attentäter.

"Etwas an seinem Bauch war explodiert", sagte ein Augenzeuge einer Zeitung. Die Polizei hält sich mit der Einordnung des Anschlags aber bislang zurück: Noch ist unklar, ob der Mann sich tatsächlich selbst töten wollte oder ob bei der Explosion der zweiten Bombe etwas schief ging. In der Nähe der Leiche sei eine Tasche mit Nägeln gefunden worden, berichtete ein Fernsehsender.

In einem sind sich Außenministerium und Staatsanwaltschaft aber inzwischen einig: Bei den Explosionen handelt es sich um einen terroristischen Akt. "Es hätte eine schreckliche Katastrophe geben können", erklärte noch am Samstagabend der schwedische Außenminister Carl Bildt. Kurz vor den Explosionen war in einem offenbar islamistischen Drohbrief, der per Email an die Säpo und eine Nachrichtenagentur ging, vor einer nicht näher benannten Aktion gewarnt worden. Bislang gehen die Ermittler davon aus, dass der Mann auf eigene Faust gehandelt hat.

Von Seiten der Staatsanwaltschaft hieß es, die Terror-Alarmstufe für Schweden werde nicht erhöht. In dem Land gilt seit 1. Oktober ohnehin eine erhöhte Terror-Warnstufe. Trotzdem zeigen die Behörden sich höchst besorgt: Sollte es sich tatsächlich um einen Selbstmordattentäter handeln, dann sei das eine neue Qualität von Terror, die es so in Schweden noch nicht gegeben habe, sagte der Säpo-Sprecher.

Am Sonntagnachmittag trat dann auch Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt vor die Presse und verurteilte den Anschlag scharf. Seine Regierung werde sich dadurch aber nicht von ihrem Eintreten für eine "offene Gesellschaft" abhalten lassen, sagte Reinfeldt. Er warnte vor voreiligen Schlüssen.

Aufruf zum Heiligen Krieg

Denn es gibt zahlreiche Spekulationen hinsichtlich der Identität des Attentäters. Die Behörden wollten sich am Sonntagmorgen dazu noch nicht äußern, da erst die Angehörigen des mutmaßlichen Täters informiert werden sollen. Allerdings wurden Medienberichte nicht dementiert, wonach es sich bei dem Attentäter um den Besitzer des explodierten Autos handelt. Den Berichten zufolge ist das Fahrzeug auf einen 28-jährigen Mann zugelassen.

Wie die schwedische Nachrichtenagentur TT berichtete, erhielt sie zehn Minuten vor den Explosionen per Email Text- und Tondateien in Arabisch und Schwedisch, die vor einer nicht näher benannten "Aktion" warnten. "Unsere Taten werden für sich sprechen", hieß es demnach in der an das schwedische Volk adressierten Botschaft, die der Täter teilweise auf Band gesprochen hatte.

Der Autor der Botschaft erklärte, er habe sich "für den Dschihad" (den Heiligen Krieg gegen Ungläubige) in den Mittleren Osten begeben. "Nun werden Eure Kinder, Eure Töchter und Eure Schwestern sterben, so wie unsere Brüder, Schwestern und Kinder sterben." Die Strafaktionen würden weiter gehen, "solange Ihr nicht Euren Krieg gegen den Islam, Eure Beleidigung des Propheten und Eure dumme Unterstützung des Schweins Vilks aufgebt".

Gemeint war offenbar die schwedische Militärpräsenz in Afghanistan und der schwedische Karikaturist Lars Vilks, der den Propheten Mohammed als Hund dargestellt hatte. Der Text endete mit einem Aufruf an die "Mudschahedin" (islamischen Kämpfer) in Schweden und Europa "zurückzuschlagen".

Die beiden Explosionen trafen Stockholm genau zum Höhepunkt der vorweihnachtlichen Feststimmung mit dem traditionellen Lucia-Fest. Mit einem Festessen auf dem Stockholmer Schloss endete gerade jetzt die glanzvolle Nobelpreis-Woche. Am Vorabend hatte die Königsfamilie mit den Preisträgern und Hunderten Gästen das große Nobel-Galafest im Rathaus gefeiert.

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