Süddeutsche Zeitung

Terroranschlag in New York:Was wir über den Anschlag in Manhattan wissen - und was nicht

Ein Mann reißt an Halloween in New York acht Menschen mit einem Pick-up in den Tod und verletzt elf weitere. Er soll in Verbindung zum "Islamischen Staat" stehen.

Was wir wissen:

Die Tat: Am Dienstagnachmittag um kurz nach 15 Uhr (Ortszeit) steuerte ein Mann einen gemieteten Pick-up-Truck auf einen Fußgänger- und Fahrradweg im Südwesten Manhattans. Auf einer Strecke von mehr als einem Kilometer überfuhr und rammte er Menschen. Auf Höhe der Chambers Street direkt vor einer Highschool stieß der Truck mit einem Schulbus zusammen und kam zum Stehen. Der Fahrer stieg aus und hielt zwei Waffen in die Luft. Erst später stellte sich heraus, dass es sich um ein Paintball- sowie ein Luftgewehr handelte, beides relativ ungefährlich. Ein Polizist schoss dem Mann in den Bauch, er wurde festgenommen und in ein Krankenhaus gebracht. Die Behörden stufen die Tat als Terrorakt ein und sprechen von einer Verbindung zur Terrormiliz "Islamischer Staat".

Der Polizei zufolge muss der Attentäter sein Vorgehen lange im Voraus geplant haben. Allem Anschein nach bereitete er die Tat "seit einer Reihe von Wochen" vor, wie es John Miller von der New Yorker Feuerwehr ausdrückte. Der Angreifer habe dabei "Anleitungen von [der Terrormiliz] ISIS fast auf den Punkt genau befolgt". Im Tatfahrzeug seien handschriftliche Notizen gefunden worden, aus denen sein Bezug zum der Dschhadistengruppe hervorgehe.

Der Täter: Die Behörden sprechen von einem Einzeltäter und bezeichnen ihn offiziell als Terroristen. Ein Bild von Sayfullo Habibullaevic Saipov ergibt sich aber nur langsam.

Der heute 29-Jährige kam 2010 auf legalem Weg aus Usbekistan in die USA. Saipov soll zunächst im Bundesstaat Ohio gelebt und dort gearbeitet haben. Den Behörden zufolge hat der Tatverdächtige einen in Florida ausgestellten Führerschein. Andere öffentliche Unterlagen führen eine Adresse in der Stadt Tampa auf. Zuletzt lebte der Usbeke offenbar in New Jersey, wo er mutmaßlich auch den Pick-up-Truck einer Baumarktkette mietete - und zwar nur eine Stunde vor der tödlichen Fahrt in Manhattan.

Dokumente zeigen, dass er Berufskraftfahrer war und zwei Geschäfte in Ohio gegründet hatte. Eine Webseite für die Lkw-Branche listet den Tatverdächtigen in Paterson, New Jersey, auf. Dieser Wohnort wurde Dienstagnacht durchsucht. Gerichtsunterlagen zufolge lag im April 2016 ein Haftbefehl gegen Saipov vor, als er eine Anhörung über eine Ordnungswidrigkeit verpasste. Grund war damals, dass er falsche Bremsen in einem Wagen nutzte. Die Angelegenheit löste er im vergangenen November, indem er sich schuldig bekannte und 200 Dollar für Strafgebühren und Gerichtskosten zahlte.

Der Fahrdienst Uber hat bekanntgegeben, der Verdächtige habe eine Überprüfung des Unternehmens überstanden und sei sechs Monate lang für den Anbieter gefahren. Insgesamt habe er mehr als 1400 Fahrten absolviert.

Die Opfer: Sechs Menschen starben noch am Tatort, zwei erlagen im Krankenhaus ihren Verletzungen. Fünf der männlichen Opfer stammen aus Argentinien, wie das Außenministerium in Buenos Aires mitteilte. Sie waren demnach anlässlich des 30. Jahrestages ihres Schulabschlusses gemeinsam mit weiteren Freunden in der US-Metropole. Erst vor wenigen Tagen posierten sie vor dem Abflug in die USA mit T-Shirts, auf denen das Wort "libre" - frei - stand.

Bei den anderen drei Toten handelt es sich dem New Yorker Feuerwehrchef Joseph Nigro zufolge um zwei US-Amerikaner und eine Person mit deutscher Staatsbürgerschaft - zunächst war auch von einer getöteten Belgierin die Rede gewesen. Das Auswärtige Amt dementierte jedoch, dass es ein deutsches Todesopfer gegeben habe - offenbar gab es eine Verwechslung.

Elf weitere Menschen wurden nach Angaben der Feuerwehr in Kliniken behandelt. Darunter ist nach Angaben des Auswärtigen Amts eine Deutsche. Verletzt wurden unter anderem auch eine belgische Familie sowie zwei Lehrer und zwei Schüler, die in dem Schulbus saßen. Sie haben schwere, aber nicht lebensbedrohliche Verletzungen erlitten.

Die ersten Reaktionen: Die Sicherheitsvorkehrungen in der Metropole wurden verstärkt, die traditionelle Halloween-Parade am Abend wurde aber abgehalten. "Das ist ein sehr schmerzhafter Tag für unsere Stadt, aber die New Yorker werden sich nicht wegen eines Terroranschlags ändern", sagte Bürgermeister Bill de Blasio. Polizeichef James O'Neill sprach von einer "Tragödie größten Ausmaßes". Es gebe aber keine Hinweise auf eine andere akute Bedrohung in der Stadt, sagte Gouverneur Andrew Cuomo. US-Präsident Donald Trump nannte den Täter "krank und gestört". Kanzlerin Angela Merkel versprach den Amerikanern Unterstützung im Kampf gegen Terrorismus: "Dabei vertrauen wir auf die Stärke unserer demokratischen Gesellschaften und die Überzeugungskraft unserer freiheitlichen Werte."

Zu den Staaten, die den Terroranschlag in New York scharf verurteilen, zählt auch Iran, mit dem die US-Regierung ein langer Konflikt verbindet. "Unschuldige und hilflose Menschen auf Straßen und an öffentlichen Plätzen zu ermorden, zeigt die Brutalität von Terrorgruppen wie Daesch", sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi in Bezug auf die Terrormiliz IS. Gleichzeitig kritisierte er die Politik der USA und ihrer Verbündeten im Kampf gegen den IS. Terrorismus müsse konsequent bekämpft und dürfe nicht für politische Interessen instrumentalisiert werden.

Usbekistan als Herkunftsland des mutmaßlichen Täters bot den USA Unterstützung an. Sein Land werde alle Ressourcen nutzen, um bei den Ermittlungen zu helfen, erklärte Präsident Shavkat Mirziyoyev in einem Kondolenzschreiben an den US-Präsidenten.

Was wir nicht wissen:

Das Motiv: Warum der mutmaßliche Täter das Attentat beging, ist noch ein Rätsel. Medienberichten zufolge rief der Mann "Allahu Akbar", arabisch für "Gott ist groß", als er aus dem Auto stieg. Das würde auf einen radikalislamischen Hintergrund hindeuten. Die Polizei bestätigte zunächst nicht den exakten Ausruf. Sie teilte aber mit, dass der Mann etwas gesagt habe, als er das Auto verlassen habe. Dies habe mit der Art und Weise des Anschlags übereingestimmt und auch dazu geführt, dass er als Terrorakt eingestuft wurde.

Die New York Times und andere US-Medien berichten, in der Nähe des Wagens hätten Ermittler Notizen auf Arabisch gefunden, die eine Verbindung mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nahelegten. Nach CNN-Informationen handelte es sich um eine Mitteilung auf Englisch, die in dem Fahrzeug gefunden wurde. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht. Die Polizei rief Augenzeugen dazu auf, den Behörden Videos und Fotos des Attentats zukommen zu lassen.

Ein Mann, der den Tatverdächtigen in Florida kennenlernte und sich als dessen Freund bezeichnet, sagte der New York Times und der New York Post, der 29-Jährige habe wie ein "sehr guter Kerl" gewirkt: "Meine Kinder mögen ihn auch, er spielt immer mit ihnen."

Die politischen Konsequenzen: US-Präsident Trump hat sich bereits kurz nach der Attacke in Tweets festgelegt. Man dürfe nicht zulassen, dass Kämpfer des anderswo bereits besiegten IS in die USA einreisen könnten. Er kündigte an, er wolle erneut die Sicherheitsüberprüfungen verschärfen lassen. "Ich habe das Heimatschutzministerium gerade damit beauftragt, unser schon jetzt extremes Programm an Sicherheitsüberprüfungen zu intensivieren", so Trump auf Twitter weiter. "Es ist in Ordnung, politisch korrekt zu sein, aber nicht dafür!" Auf eine entsprechende Nachfrage erklärte Trump vor Journalisten, er werde in Erwägung ziehen, Saipov im umstrittenen US-Gefangenenlager Guantanamo inhaftieren zu lassen.

Sollte sich die Einschätzung der Sicherheitsbehörden bestätigen, wäre es der erste islamistisch motivierte Terroranschlag in den USA in der Amtszeit Trumps. Trump hat sich für eine Verschärfung der Einwanderungspolitik starkgemacht und dies mit Terrorgefahr begründet. So wollte er ein Einreiseverbot für Menschen aus überwiegend muslimisch geprägten Ländern einführen, scheiterte damit aber vor Gerichten. Ob und wie sich weitere Verschärfungen, besonders gegen einzelne Staaten, tatsächlich durchsetzen lassen, ist deshalb zumindest ungewiss.

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