Süddeutsche Zeitung

Terroranschlag in New York:Was Muslime aus Zentralasien anfällig für Gewaltpredigten macht

Lesezeit: 2 Min.

Von Frank Nienhuysen

Kaum hatten in New York die Ermittlungen begonnen, da meldete sich aus einem weit entfernten Land ein Mann namens Shavkat Mirziyoyev. Er ist seit einem Jahr der Präsident von Usbekistan und bot den Amerikanern seine Hilfe an. Denn der Tatverdächtige von New York stammt aus dem zentralasiatischen Wüstenstaat, und wenn er auch schon seit Jahren mit einer Greencard in den USA lebt, so gibt es doch genug Grund für eine Zusammenarbeit quer über den Globus. Denn Sayfullo Saipov ist längst nicht der einzige mutmaßliche Terrorist und IS-Anhänger, der seine Wurzeln in der ehemaligen Sowjetrepublik Usbekistan hat.

Immer mehr IS-Unterstützer aus Zentralasien

Erst ein halbes Jahr ist es her, dass in der Innenstadt von Stockholm ein Mann ebenfalls einen Lastwagen als tödliche Waffe missbrauchte. Er fuhr mit dem gestohlenen Auto durch eine Fußgängerzone und tötete fünf Menschen. Der ebenfalls aus Usbekistan stammende Täter hatte Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat sowie die Extremistengruppen Hizb ut-Tahrir und die Islamische Bewegung Usbekistan. Und: Nur wenige Tage zuvor hatten Selbstmordattentäter mit einem Bombenanschlag die russische Millionenstadt Sankt Petersburg erschüttert, festgenommen wurden Verdächtige aus Kirgisistan und Usbekistan. Alles nur Zufall?

Extremisten aus den Staaten Zentralasiens, allen voran aus Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan, beunruhigen schon seit Jahren Sicherheitsdienste und Ermittler in Russland, dem übrigen Europa und den USA. Und natürlich in den Herkunftsstaaten selber. Die International Crisis Group stellte vor zwei Jahren fest, dass immer öfter Bewohner aus dieser Region in den Nahen Osten reisten, um den IS zu unterstützen und für ihn in Syrien oder im Irak zu kämpfen. Manche von ihnen verschlug es zurück in ihre Heimatländer, nach Europa oder in die USA, wo 2015 im New Yorker Stadtteil Brooklyn schon einmal verdächtige Usbeken aufgefallen waren, die mit dem IS in Verbindung gestanden haben sollen.

Korruption, Willkür und Armut begünstigen Extremismus

Dass junge Männer aus den muslimischen Staaten Zentralasiens immer wieder anfällig sind für Gewaltpredigten des IS, hat auch mit ihrer Lage daheim zu tun. Schon in den Neunzigerjahren hatten sie sich im Widerstand gegen die heimischen Despoten radikalisiert, die einen staatlich kontrollierten moderaten Islam förderten, strengen, fundamentalen Glauben jedoch hart bekämpften. Korruption, Willkür, Armut - all das trug zum Erstarken des Extremismus bei; die Globalisierung des Terrors, seiner Finanzierung und die dauerhafte Verfügbarkeit gezielter Internetpropaganda ließen die Grenzen fließend werden. Islamisten aus Zentralasien fanden zunehmend Gefallen am länderumspannenden Dschihad, und vermutlich hat der IS auch mit dem Versprechen auf ein besseres, gerechteres Leben gelockt. Etwa 4000 Kämpfer des IS sollen nach Schätzung der Crisis Group aus Mittelasien gekommen sein, als die Dschihadisten noch Zulauf hatten.

Auffällig ist, dass der IS immer wieder Islamisten aus dem turksprachigen Zentralasien offenbar bewusst gegen die Türkei einsetzte, etwa bei dem Anschlag auf einen Istanbuler Nachtklub zu Beginn des Jahres. Doch warum Saipov nun in New York losschlug, weiß zunächst wohl nur er selber.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3730914
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.11.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.