Terroranschlag in New York:Green-Card-Lotterie: Visa aus dem Lostopf

Donald Trump

US-Präsident Donald Trump will die Green-Card-Lotterie abschaffen.

(Foto: dpa)

Der Attentäter von New York kam wohl mit einer gewonnenen Aufenthaltserlaubnis in die USA. Trump will die Visa-Lotterie nun abschaffen.

Von Johanna Bruckner, New York, und Viktoria Bolmer

Wer als Nicht-Amerikaner den amerikanischen Traum leben will, klein anfangen, ganz groß werden - der braucht eine Green Card. Eine dauerhafte Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis in den USA. Die Anforderungen dafür sind hoch, die Zahl der Anträge, die bewilligt werden dürfen, ist begrenzt. Viele probieren ihr Glück über die Green-Card-Lotterie, bei der die Kriterien weniger streng sind. Auch Sayfullo Habibullaevic Saipov hat seinen Namen offenbar in den Lostopf geworfen, der 29-jährige Mann, der am Dienstag mit einem Kleinlaster auf einem Radweg in Manhattan acht Menschen getötet und elf schwer verletzt hat.

Der mutmaßliche Täter sei über das "Diversity Visa Lottery Program" in die USA gekommen, twitterte Präsident Donald Trump in der Nacht nach dem Anschlag. Dass Saipov über eine Green Card verfügt, berichten diverse US-Medien unter Berufung auf Ermittler; Trump ist allerdings der einzige, der sich bislang dazu geäußert hat, wie der gebürtige Usbeke sie erhalten hat. Dafür zog der Präsident sofort die politische Schlussfolgerung: Es dürfe kein Lotterie-Programm wie das der Demokraten mehr geben, heißt es in seinem nächsten Tweet.

Was Trump "Diversity Visa Lottery Program" nennt, in der Umgangssprache Green-Card-Lotterie genannt wird und auf den formalen Anträgen der US-Außenbehörde "Diversity Visa Program" heißt, ist allerdings kein Gesetz der Demokraten. Im Jahr 1990 wurde das Programm als Teil des Immigration Act von George H.W. Bush unterzeichnet, einem republikanischen Präsidenten. Weil die ersten Exemplare grüne Schrift und grünes Foto trugen, bekam das Ausweisdokument im Volksmund den Namen Green Card.

Für die Green-Card-Lotterie stellen die USA pro Jahr 55 000 Aufenthaltsgenehmigungen zur Verfügung. Die Vergabe per Zufallsprinzip ist nach offiziellen Angaben für Menschen aus Ländern gedacht, aus denen nur wenige in die USA einwandern. Diese Staaten werden jedes Jahr auf einer neuen Liste der US-Regierung veröffentlicht. Sie umfasst meist - bis auf wenige Ausnahmen - die Mehrzahl der Länder in Europa, Asien, Süd- und Nordamerika und Australien.

Gingen in den vergangenen Jahren an bestimmte Länder besonders viele Green Cards, werden sie für einige Zeit aus dem Lostopf genommen, zur Zeit ist das bei Bewerbern aus Großbritannien der Fall. Generell gilt: In kein Land dürfen pro Jahr mehr als sieben Prozent der 55 000 Lotterie-Green-Cards vergeben werden.

Wer wie Sayfullo Habibullaevic Saipov an der Green-Card-Lotterie teilnimmt und gewinnt, füllt innerhalb von vier Wochen, meist zwischen Oktober und November, einige Dokumente über die eigene Person aus und muss entweder den Anforderungen zu Bildung oder Arbeitserfahrung entsprechen. Das heißt: Man muss entweder zwölf Jahre Schulbildung nachweisen oder aber mindestens zwei Jahre Arbeitserfahrung innerhalb der letzten fünf Jahre in einem Beruf, der eine Ausbildung oder Arbeitserfahrung erfordert.

Trump will die Anzahl der Green Cards halbieren

Für viele, die seit ihrer Kindheit von einem Leben in den USA träumen, ist die Green-Card-Lotterie die große Chance. So war es auch bei Lorena aus Koblenz. Die 33-Jährige reiste mit 18 zum ersten Mal in die USA und machte dort eine Westküsten-Rundreise. Im Herbst 2013 meldete sie sich für die Verlosung an. Ein halbes Jahr später kam der Brief mit dem Betreff "Herzlichen Glückwunsch". "Ich hielt es zunächst für einen Werbebrief", sagt sie. In den USA angekommen wurde ihre Euphorie gedämpft. "Mit amerikanischem Arbeitsvertrag hat man viele Nachteile, angefangen bei den wenigen Urlaubstagen und dem Umstand, jederzeit gekündigt werden zu können", sagt Lorena. Man habe aber immer noch die Möglichkeit, mit harter Arbeit sehr viel zu erreichen. "Ich bin froh, die Chance bekommen zu haben, meinen Kindheitstraum in diesem wahnsinnig facettenreichen Land zu leben."

Eine Green Card kann man nicht nur über die Lotterie, sondern auch über aufenthaltsberechtigte Verwandte oder einen Arbeitsplatz in den USA beantragen. So sind etwa für enge Familienangehörige, also Ehepartner, unverheiratete minderjährige Kinder und Eltern die Green Cards nicht begrenzt - bei entfernteren Verwandten aber schon, und zwar auf 226 000 pro Jahr.

Der Täter war Berufskraftfahrer, arbeitete als Uber-Fahrer

Wer eine Green Card über seinen Job beantragt, muss seine Eignung nachweisen, er muss "außerordentliche Fähigkeiten" in der Wissenschaft, Bildung oder im Sport besitzen, ein "außerordentlicher Professor oder Forscher" sein, multinationaler Manager oder Führungskraft. Die Green Cards, die aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgegeben werden, sind pro Jahr begrenzt auf 140 000 Stück.

Der 29-jährige mutmaßliche Attentäter von New York soll im Jahr 2010 mit einer gewonnenen Green Card aus Usbekistan in die USA gekommen sein. Erfahrungsberichte zeigen, dass von der Auslosung bis zur möglichen Einreise häufig mehr als ein Jahr vergeht, vermutlich nahm er 2009 an der Green-Card-Lotterie teil. Er soll als Uber-Fahrer gearbeitet haben und nach seiner Einreise zunächst in Ohio, dann in Tampa in Florida, zuletzt im Bundesstaat New Jersey gelebt haben. Dokumente zeigen, dass er Berufskraftfahrer war und zwei Geschäfte in Ohio gegründet hatte. Mit einer Green Card lässt es sich recht unbehelligt leben: Nach zehn Jahren läuft sie ab, nur wer den Wohnort wechselt, muss sich bei den Behörden melden.

Der Immigration Act von 1990 und das damit eingeführte "Diversity Visa Program" waren dazu gedacht, die Bevölkerung Amerikas vielfältiger zu machen. Trump will es nun abschaffen. Seit Beginn seiner Amtszeit versucht er, die Einwanderungspolitik der USA zu verschärfen. Zwischen den USA und Mexiko will er eine Mauer bauen, die Hürden für Einreisende aus vorwiegend muslimisch geprägten Ländern macht er immer höher. Im August kündigte er an, die Anzahl der Green Cards zu halbieren.

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