Terroranschlag in New York:"Ein besonders feiger Akt des Terrorismus"

Terroranschlag in New York: Bei dem Terrorakt in New York wurden mindestens acht Menschen getötet.

Bei dem Terrorakt in New York wurden mindestens acht Menschen getötet.

(Foto: AP)
  • Ein 29-Jähriger Usbeke rast mit einem Kleinlaster auf einen Radweg in Manhattan.
  • Acht Menschen sterben bei der Terrorattacke, elf Personen werden schwer verletzt.
  • Der Täter soll als "einsamer Wolf" gehandelt haben.
  • Präsident Trump kündigt eine Verschärfung der Sicherheitsüberprüfungen bei der Einreise an.

Von Claus Hulverscheidt und Kathrin Werner, New York

Überall Polizei. Polizisten mit Gewehren und schusssicheren Westen. Polizisten mit Spürhunden. Polizisten in Zivil, die Pistole ins Hosenband gesteckt. Polizei-Hubschrauber kreisen knatternd am Himmel. Die Warnlichter auf den Polizeiautos und den Feuerwehrwagen leuchten rot.

Immer wieder gehen Sirenen los. "Was ist mit dem bösen Mann passiert?", fragt ein kleiner Junge im Ninja-Turtle-Kostüm. Es ist Halloween und deshalb sind hier neben all den Polizisten auch viele Kinder unterwegs in ihren Verkleidungen. Kleine Prinzessinnen, Zauberer und Superhelden zwischen all den Polizisten, den Straßen-Barrikaden, den Rettungswagen.

Kurz vorher ist hier der Tod über den Radweg gefegt. Es ist kurz nach 15 Uhr Ortszeit, als ein weißer Kleinlaster, ein Pick-up, auf der Höhe der Houston Street auf den Radweg am Hudson River im Westen Manhattans einbiegt und in Richtung Süden beschleunigt. Die Radler und Fußgänger, die auf dem daneben liegenden Gehsteig unterwegs sind, haben keine Chance auszuweichen: Nur Sekunden später sind sechs Menschen tot, zwei weitere werden kurz darauf im Krankenhaus sterben.

Elf Passanten liegen schwer verletzt zwischen ihren verbogenen Rädern auf dem Boden, andere laufen weinend, schreiend oder orientierungslos umher. Was der 29-jährige Fahrer des Wagens getan hat, sagt Bürgermeister Bill de Blasio wenig später bei einer ersten Pressekonferenz, "ist ein besonders feiger Akt des Terrorismus, ein Anschlag auf unschuldige Menschen".

Der Radweg ist bei Einheimischen und Touristen beliebt

Gut einen Kilometer rast der Attentäter den Radweg entlang, dann kracht er auf der Höhe der Chambers Street in einen kleinen Schulbus. Zwei Erwachsene und zwei Kinder, die in dem Gefährt sitzen, werden leicht verletzt. Es hätte womöglich noch schlimmer kommen können, denn die Schüler in der unmittelbar daneben gelegenen Stuyvesant High School haben gerade Unterrichtsschluss.

"Wir haben ein Krachen gehört", sagt Elizabeth Chernobelsky. Die 17-Jährige geht in die zwölfte Klasse der Stuyvesant-Schule. Sie war gerade am Swimmingpool der Schule und bereitete sich auf ihr Training vor, als ein jüngerer Schüler herbeirannte und "Schüsse, Schüsse", rief, "draußen schießt einer". Ihre Schule hat dann sofort alle Türen geschlossen. Wer drinnen war, durfte nicht mehr heraus. Niemand durfte hinein.

Chernobelsky ist in den ersten Stock gelaufen und hat vom Fenster aus die Straße beobachtet. "Ich hatte keine Ahnung, was passiert war", sagt sie. "Es sah aus wie ein Autounfall und dann waren da die Schüsse. Aber gehörte das zusammen?" Sie hat sehr lange am Fenster gestanden. Sie hat die Polizei kommen sehen, die Feuerwehr und dann sogar das Bombenräum-Kommando. Sie hatte Angst. "Ich war wie unter Schock", sagt sie. "Vor allem wollte ich wissen, was passiert ist." Sie hat gesehen, wie die Polizisten die Opfer vom Radweg an den Straßenrand brachten. Sie hat mit dem Smartphone Fotos davon gemacht. "Sehen Sie", sagt sie. "Da sind die Leichensäcke."

Der Radweg entlang der West Street ist bei New Yorkern wie Touristen gleichermaßen beliebt. Er führt von der Südspitze Manhattans entlang des majestätischen Hudson Rivers gen Norden - wohin der Radfahrer oder der Inliner-Skater auch schaut, ihm eröffnen sich atemberaubende Blicke auf den Fluss, auf das One World Trade Center, das Empire State Building und die vielen anderen Wahrzeichen der Stadt. An diesem Dienstagnachmittag jedoch, einem strahlend schönen, warmen Herbsttag, verwandelt sich der Weg mit seinen herrlichen Ausblicken in ein Betonband des Todes.

Trump will die Sicherheitsüberprüfungen verschärfen

Nach der Kollision springt der Fahrer aus dem Kleinlaster, einem Leihwagen der Baumarktkette Home Depot, und läuft auf der West Street umher. Auf Augenzeugen-Videos ist zu sehen, wie er mit etwas herumfuchtelt, später wird sich herausstellen, dass er eine Paintball- und eine Luftpistole bei sich trug. Dann trifft ihn eine Kugel, abgefeuert von einem Polizisten, der in der Nähe unterwegs war. Der Mann bricht zusammen und wird ins Krankenhaus abtransportiert. Er soll sich in einem kritischen Zustand befinden.

Der mutmaßliche Täter wird als Sayfullo Habibullaevic Saipov identifiziert, er soll 29 Jahre alt sein. Augenzeugen wollen gehört haben, dass er "Allahu Akbar" gerufen hat, Arabisch für "Gott ist groß". Die Polizei konnte das bislang nicht bestätigen.

Mehrere US-Medien berichten, dass Saipov seit 2010 in den USA lebt, zuletzt in Tampa, Florida. Er soll eine Greencard besitzen und ursprünglich aus Usbekistan stammen. Sie stützen sich dabei auf Polizeiquellen. Auf Videos, die Zeugen mit ihren Handys drehten, sieht man ihn fliehen, er ist ein schlanker, großer Mann mit Bart.

Terroranschlag in New York: Mit diesem Kleinlaster raste der 29-Jährige auf den Radweg in Manhattan und tötete dabei acht Menschen.

Mit diesem Kleinlaster raste der 29-Jährige auf den Radweg in Manhattan und tötete dabei acht Menschen.

(Foto: AFP)

Bei einer Sache scheint die Polizei sich sicher zu sein: Es war, wie im Frühjahr am Times Square, oder, noch viel schlimmer, vor ein paar Wochen in Las Vegas, offenbar die Tat eines Einzelnen, eines "einsamen Wolfs", wie Gouverneur Andrew Cuomo sagt. Es gebe keinerlei Hinweise, dass noch weitere Terroristen in der Stadt unterwegs seien. Ob Saipov eine Verbindung zu Terrorgruppen wie den IS hatte, ist in diesem Moment noch unklar.

"Ein sehr schmerzhafter Tag für New York"

Präsident Donald Trump gab auf Twitter mehrere Stellungnahmen ab. Dem IS dürfe nicht erlaubt werden in die USA einzureisen, schrieb er. Und später: "Ich habe gerade das Heimatschutzministerium beauftragt, unsere sowieso schon extremen Sicherheitsüberprüfungen nochmals zu verschärfen. Politisch korrekt zu sein, ist gut, aber nicht dafür!" Unter den Opfern des Terroraktes sollen fünf Argentinier und eine Belgierin sein.

"Es ist ein sehr schmerzhafter Tag für New York", sagt Bürgermeister de Blasio und erinnert daran, dass der Radweg nicht weit entfernt von dem Ort entfernt liegt, an dem die Stadt am 11. September 2001 ins Herz getroffen worden war. "Wir sind schon einmal geprüft worden", fährt der Bürgermeister mit brüchiger Stimme fort, um dann umso entschlossener zu betonen: "Aber von Gewalt werden wir uns niemals brechen lassen".

Unmittelbar nach der Schreckenstat sperrte die Polizei das ganze Gebiet großräumig ab. Der weiße Kleinlaster steht mit seiner völlig zerstörten Frontpartie noch mitten auf der Kreuzung, aber niemand außer der Polizei darf sich ihm nähern. Überall Absperrband. Überall Polizisten. Aus der Ferne recken die New Yorker ihre Köpfe Richtung Radweg.

Köpfe, die so oft unter Masken und Hasen-Ohren verborgen sind. "Mein Kostüm kommt mir jetzt geschmacklos vor", sagt Justin Hales. Er trägt eine Sense und eine schwarze Kutte. "Ich bin der Tod", sagt er. Die große Halloween-Parade, zu der am Abend keine zehn Minuten vom Anschlagsort entfernt Zehntausende Besucher erwartet wurden, fand wie geplant statt.

"Wachsam" sollten die New Yorker sein, erklärt der Bürgermeister, und "weitermachen". Die Toten "waren Menschen, die heute Morgen das Haus verlassen haben, um Zeit im wunderschönen New Yorker Westen zu verbringen. Heute Abend werden sie nicht nach Hause zurückkehren", sagt Gouverneur Cuomo. "Das führt uns wieder einmal vor Augen, wie wertvoll das Leben ist."

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