Terrorabwehr:Der Fall Amri offenbart, warum es so schwierig ist, Gefährder abzuschieben

Terrorabwehr: Der Versuch, Anis Amri abzuschieben, scheiterte.

Der Versuch, Anis Amri abzuschieben, scheiterte.

(Foto: Fotos: dpa, AP)

Der ist keiner von uns - diesen Ausspruch bekommen Ausländerbehörden immer wieder zu hören, wenn Herkunftsländer Papiere erstellen sollen.

Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo

Abgelehnte Asylbewerber in ihre Heimat zurückzuschicken, war noch nie ganz einfach. Als besonders schwierig gelten allerdings Abschiebungen in die Maghreb-Staaten. Vor allem Tunesien und Marokko sind - trotz aller gegenteiliger Beteuerungen - wenig kooperativ. Das Verhalten der tunesischen Behörden etwa wird in Papieren der Länder-Innenbehörden als "völlig unzureichend" bewertet.

Als es aber um die geplante Abschiebung des 24-jährigen Islamisten Anis Amri ging, dem die deutschen Behörden die Planung eines Anschlags zutrauten, hofften Staatsschützer, zumindest dieser Fall lasse sich irgendwie leichter lösen.

Kurz nachdem der Asylantrag von Amri im Frühsommer 2016 abgelehnt worden war, wandten sich nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR Staatsschutzmitarbeiter des Bundeskriminalamts (BKA) an die tunesischen Behörden. "Auf hochrangiger Ebene", so wird intern vermerkt, habe man den Tunesiern klargemacht, wie wichtig und eilig die Angelegenheit sei. Schon seit Februar 2016 galt Amri in Deutschland als "Gefährder". Die Tunesier sollen eine schnelle Prüfung versprochen haben.

Dass sich der deutsche Staatsschutz bei den Tunesiern meldete, machte es klar: Dies war kein gewöhnlicher Fall. Deutschland, das mit Tunesien ein Abkommen über die bilaterale Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich unterzeichnet hat, hatte ein besonderes Interesse, Amri rasch zurück in die Heimat zu schicken. In dem Abkommen steht unter anderem, dass beide Länder bei der Bekämpfung des Terrorismus eng zusammenarbeiten würden.

Deutsche Behörden machten Druck, Tunis ließ sie abblitzen

Der Verbindungsbeamte des BKA in Tunis wurde eingeschaltet. Er fragte immer wieder in der Angelegenheit nach, die eigentlich gar nicht so kompliziert war. Amri hatte keine Papiere bei sich gehabt - die Tunesier sollten Ersatzpapiere ausstellen.

Der Fall wurde dann doch kompliziert. Tunis ließ die deutschen Behörden ins Leere laufen.

Als Amri am 30. Juli mit gefälschten Reisedokumenten in Friedrichshafen auffiel, wurde er in Gewahrsam genommen und - weil die Papiere fehlten - bald darauf wieder entlassen. Zuvor hatte das Amtsgericht Ravensburg die Behörde in Kleve kontaktiert, die darum bat, einen Handflächenabdruck von Amri zu nehmen. Fingerabdrücke reichten den Tunesiern nicht.

Das Verfahren lief. Praktiker rechnen, wenn es um Passersatzpapiere (PEP) geht, mit sechs bis 14 Monaten Verfahrensdauer. Tunis meldete sich lange Zeit nicht, doch am 22. Oktober kam schließlich eine Nachricht: Der Mann, den die Deutschen abschieben wollten, sei gar kein Tunesier. Der ist keiner von uns - diesen Ausspruch bekommen Ausländerbehörden im Verlauf von PEP-Verfahren öfter zu hören.

Erst Fingerabdrücke aus der Interpol-Datei bewiesen, dass Anis Amri Tunesier ist. Am 25. Oktober wurde ein neues PEP-Verfahren eingeleitet. Das Ende ist bekannt: Am 19. Dezember tötete der Islamist bei einem Attentat in Berlin zwölf Menschen.

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