Terror-Verdächtige in Guantanamo:Über CIA-Folter wird nicht gesprochen

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Der Verteidiger James Connell: "Das Leiden und die Angst einer Person kann die Regierung nicht wie eine Akte verpacken und per Kurier zwischen gesicherten Dienststellen hin- und herschicken." (Foto: Getty Images)

Simulierte Erschießungen oder die Drohung, Angehörige zu vergewaltigen - die mutmaßlichen Hintermänner der Anschläge vom 11. September 2001 möchten öffentlich berichten, wie sie vom US-Geheimdienst CIA gefoltert wurden. Doch der Militärrichter in Guantanamo hat das untersagt.

Von Nicolas Richter, Washington

Der Staat kann dem Menschen vieles nehmen: Freiheit, Eigentum, Familie. Auf dem US-Stützpunkt Guantanamo Bay wehren sich die Gefangenen dagegen, dass er ihnen noch mehr wegnimmt: ihre Schmerzen, Ängste und Erinnerungen. Die mutmaßlichen Hintermänner der Anschläge vom 11. September 2001 möchten öffentlich davon erzählen dürfen, wie sie einst von der CIA gefoltert wurden.

Ein Schriftsatz, der bis vor Kurzem noch als "Top Secret" eingestuft war, offenbart jetzt, wie Regierung und Anwälte um die letzten Geheimnisse des US-Terrorkriegs ringen. Der Staat erklärt darin, die Verdächtigen seien einst einem streng geheimen Verhörprogramm der CIA ausgesetzt gewesen. Dazu gehörte es, Erschießungen von Gefangenen zu simulieren oder Verdächtigen damit zu drohen, vor ihren Augen weibliche Angehörige zu vergewaltigen. Nach herrschender Meinung unter Rechts- und Sicherheitsexperten war dies Folter. Nun ist der Staat besorgt, weil die Misshandelten von "geheimen Methoden" der CIA erfahren hätten und in der Lage seien, diese zu "enthüllen". Der Militärrichter in Guantanamo ist der Regierung gefolgt und hat entschieden, dass im Prozess über Folter nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit geredet werde.

Der Verteidiger James Connell hat grundsätzlich, aber vorerst erfolglos widersprochen: "Das Leiden und die Angst einer Person kann die Regierung nicht wie eine Akte verpacken und per Kurier zwischen gesicherten Dienststellen hin- und herschicken." Ein Mensch sei der beste Zeuge seiner eigenen Qualen. Nur er könne erzählen, was er empfunden und welche Folgen er davongetragen habe.

Die Verdächtigen im Prozess zum 11. September sind des 3000-fachen Mordes angeklagt, ihre Verteidiger möchten zumindest die Todesstrafe abwenden; aus ihrer Sicht darf der Staat nicht jemanden foltern und ihm später auch noch das Leben nehmen. Schon gar nicht dürfe der Staat die Opfer seiner eigenen Exzesse zum Schweigen zwingen. Persönliche Erlebnisse, vom Genuss bis zur Todesangst, "machen eine Person erst zur Person, der Staat kann diese Erlebnisse nicht besitzen oder kontrollieren", schreibt Connell.

Trotz aller Exzesse scheint das System Guantanamo aus Sicht etlicher Amerikaner noch immer nützlich zu sein. Nach dem jüngsten Anschlag in Boston verlangten auch angesehene konservative Politiker, den Verdächtigen als "feindlichen Kämpfer" einzustufen, um ihn unbefristet und ohne rechtsstaatlichen Schutz einsperren zu können. In Guantanamo harrt die große Mehrheit der Verdächtigen seit einem Jahrzehnt ohne Aussicht auf ein ordentliches Strafverfahren aus. Fast hundert Mann sind zurzeit im Hungerstreik.

Die Verteidiger möchten die Öffentlichkeit deswegen daran erinnern, wie selbstgerecht dieses System ist und mit welch fragwürdigen Argumenten es sich abschottet. Die Schweigepflicht sei so, als dürfe man über Hiroshima nicht reden, weil die Atombombe geheim entwickelt wurde. Die Geheimhaltungspflicht für Folteropfer folge einer "furchtbaren Logik", schreibt Connell. Regierung und CIA hätten ihre Techniken ja freiwillig an den Gefangenen ausprobiert. "Hätten die Gefangenen davon nicht erfahren dürfen, so hätte die CIA sie eben nicht anwenden sollen."

Linktipp: Wieso fast 100 Häftlinge in Guantanamo in Hungerstreik getreten sind und warum ein Anwalt der Gefangenen von einem "Gulag" spricht, lesen Sie in diesem Süddeutsche.de -Artikel.

© SZ vom 26.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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