Süddeutsche Zeitung

Terror:Schwarzer Freitag

Kuwait, Frankreich, Tunesien - die Welt erlebt drei Terroranschläge an einem Tag. Die Botschaft der Täter: Wir sind überall.

Von Stefan Ulrich

Ein Massaker in einer Touristenzone am Strand von Tunesien, ein Attentat auf eine schiitische Moschee in Kuwait und ein Anschlag auf eine Gasfabrik in der französischen Provinz - die Botschaft dieses schwarzen Freitags zu Beginn des Ramadan erscheint klar: Der Terror kann überall zuschlagen. Er kann jeden treffen, auch die schärfsten Sicherheitsmaßnahmen reichen nicht aus, die Bürger zu schützen.

Noch ist unklar, ob die Taten orchestriert sind und ein Fanal zum Auftakt des muslimischen Fastenmonats setzen sollten. Wahrscheinlich ist, dass sich verschiedene Gruppen und Einzeltäter von den Hassbotschaften animiert fühlten, die im Internet kursieren. Das Ziel der Extremisten, die sich meist auf die Terrororganisationen Islamischer Staat oder al-Qaida berufen, geht weit über einzelne Staaten hinaus. Ganze Großregionen, darunter Europa, sollen in eine Eskalation der Gewalt getrieben werden.

Noch schlimmer trifft es Tunesien

Am Freitag sind die Islamisten mit dieser Strategie vorangekommen. In Kuwait tötete ein Selbstmordattentäter mindestens 25 Schiiten, die zum Freitagsgebet zusammengekommen waren. Der Islamische Staat bekannte sich zu der Tat. Er sieht in den Schiiten Glaubensabtrünnige und will Schiiten und Sunniten gegeneinander aufhetzen.

Noch schlimmer als Kuwait traf es Tunesien. Dort erschoss ein Attentäter mindestens 28 Menschen, 60 wurden verletzt. Die Anschläge wurden auf das Hotel "Imperial Marhaba" nahe der Hafenstadt Sousse verübt. Das Hotel gehört zum deutschen Tui-Konzern. Die meisten Opfer sollen tunesische oder ausländische Touristen sein. Ob Deutsche unter ihnen sind, war zunächst nicht bekannt. Das tunesische Innenministerium teilte mit, der Angreifer sei erschossen worden. Meldungen von einem möglichen zweiten, geflohenen Attentäter zog es später zurück.

Das Attentat trifft den nach der arabischen Revolution um Stabilität ringenden Mittelmeerstaat katastrophal. Denn damit versuchen die Extremisten eine der Haupteinnahmequellen, den Tourismus, versiegen zu lassen. Im März starben bei einem Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis 22 Menschen, die meisten von ihnen ausländische Touristen. Seither wurden die Sicherheitsmaßnahmen deutlich verstärkt. Nun demonstrieren die Extremisten, dass sie das nicht stoppt.

Ihr Kalkül dürfte lauten: Bleiben die Urlauber fern, verlieren viele junge Tunesier ihre Jobs. Damit wird das Reservoir jener Hoffnungslosen größer, aus dem die Extremisten Leute für den Dschihad rekrutieren.

Das dritte Signal dieser Terrorwelle gilt Europa. Sogar ein so gut organisiertes Land wie Frankreich mit all seinen Geheimdiensten, Polizeibehörden und jüngst verschärften Sicherheitsgesetzen kann nicht verhindern, dass seine Bürger Opfer islamistischer Terroristen werden. So wie am Freitagmorgen um kurz vor zehn, als ein 35 Jahre alter Mann mit seinem Auto die Absperrung zu einer Industriegas-Fabrik in dem Ort Saint-Quentin-Fallavier bei Lyon durchbrach.

Der Attentäter, dessen Namen die Behörden später mit Yassin Salhi angaben, öffnete mehrere Gasbehälter und zündete sie an. Er löste eine Explosion und einen Brand aus, bevor er überwältigt und festgenommen werden konnte. Zwei Menschen wurden leicht verletzt. Vermutet wird, dass der Täter eine Großexplosion auslösen wollte.

Dann schlagen die Attentäter eben in der Provinz zu

Auf dem Firmengelände entdeckten die Ermittler einen enthaupteten Körper. Der Kopf wurde nahe dem Eingangstor gefunden und war mit arabischen Buchstaben bedeckt. Bei dem Opfer könnte es sich um den Chef eines Betriebs handeln, in dem der Attentäter arbeitete. Präsident François Hollande reiste wegen des Anschlags vorzeitig vom EU-Gipfel in Brüssel ab, um eine Sitzung des französischen Sicherheitsrats im Élysée-Palast zu leiten. Innenminister Bernard Cazeneuve sagte, Yassin Salhi sei bereits im Jahr 2006 überwacht worden, weil er radikale Tendenzen gezeigt habe. Er stehe in Verbindung mit salafistischen Organisationen.

Erst vor einem halben Jahr kamen bei einer Anschlagsserie von Islamisten im Großraum Paris 17 Menschen ums Leben. Danach wurden in Frankreich Polizei und Geheimdienste gestärkt und schärfere Gesetze beschlossen. Die Politiker versicherten, Verdächtige, unter ihnen Rückkehrer aus dem Dschihad, noch besser überwachen zu lassen. Nun müssen die Franzosen zur Kenntnis nehmen, dass das nichts nutzte. Wenn gefährdete Objekte in Großstädten besser gesichert werden, schlagen die Attentäter eben in der Provinz zu. Sie erreichen damit, dass sich das innenpolitische Klima in Frankreich verschärft.

Noch am Freitag nutzte der rechtsextreme Front National das Attentat, um gegen Muslime zu agitieren, was die Gesellschaft weiter spalten dürfte. Zugleich ging in Frankreich die Angst vor neuen Anschlägen um. Präsident Hollande versprach, terroristische Gruppen und Einzeltäter "auszulöschen".

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SZ vom 27.06.2015/mikö
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