Süddeutsche Zeitung

Terror-Propaganda:Stolpergefahr

Die Innen- und Justizminister der Europäische Union wollen vermehrt gegen Terrorvideos im Internet vorgehen. Die vorgeschlagenen "proaktiven Maßnahmen" auf Social-Media-Plattformen stoßen allerdings auf Kritik.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Propagandavideos im Internet spielen bei Terroranschlägen fast immer eine Rolle, sei es bei der Radikalisierung künftiger Attentäter oder bei der "Vermarktung" vergangener Anschläge. Die Innen- und Justizminister der Europäischen Union haben sich darum am Donnerstag darauf geeinigt, die Verbreitung solcher Inhalte im Netz stärker zu bekämpfen. Anbieter wie Youtube oder Facebook sollen dazu verpflichtet werden, terroristische Inhalte auf ihren Plattformen nach Anordnung der zuständigen Behörden innerhalb von einer Stunde von ihren Seiten zu entfernen.

Während alle Seiten das Ziel der Verordnung teilen, gibt es Kritik an dem Weg, den die EU-Kommission und die Länder dorthin einschlagen wollen, vor allem am zweiten Punkt des Vorhabens: Die Plattformen sollen "proaktive Maßnahmen" ergreifen, um zu verhindern, dass terroristische Inhalte sich auf ihren Seiten überhaupt verbreiten können. Für durch den Streit um das Urheberrecht hellhörig gewordene Ohren klingt das nach Uploadfiltern: technischen Vorrichtungen, die alles scannen, was Nutzer hochladen, um kritische Inhalte gar nicht erst durchzulassen. Bürgerrechtler sind gegen solche Filter, weil sie manchmal auch bei harmlosen Inhalten anschlagen, und weil sie fürchten, dass Plattformen sich im Zweifel eher fürs Löschen entscheiden als für das Risiko, fürs Nicht-Löschen gerügt zu werden. Außerdem gibt es Kritik an dem Prinzip, die Entscheidung darüber, was gezeigt werden darf und was nicht, Algorithmen anzuvertrauen. Zumal die Plattformen diese Verantwortung gar nicht tragen wollen: "Diensteanbieter sollten die Gerichte nicht ersetzen. Das ist eine Rolle, die wir nicht haben wollen", sagte Paolo Grassia von der Vereinigung Europäischer Telekommunikationsanbieter (ETNO) am Dienstag bei einer Debatte zur nun beschlossenen Regelung.

Auch in der Ministerrunde gab es am Donnerstag Kritik an dem Vorschlag, den die österreichische Ratspräsidentschaft unbedingt noch vor den Europawahlen im Mai verabschiedet sehen möchte. "Wir haben noch kein Gleichgewicht zwischen der schnellen Entfernung solcher Inhalte und den Bürgerrechten gefunden", sagte etwa der niederländische Justizminister Ferdinand Grapperhaus. Jetzt muss sich das Europaparlament mit der Vorlage befassen.

Bei dem Ministertreffen stand auch die Aufstockung der EU-Grenzschutztruppen auf der Tagesordnung, genauer: die Tatsache, dass der Plan aus dem September, Frontex bis 2020 auf 10 000 Beamte auszubauen, zu ambitioniert gewesen ist. Österreich hatte darum als Kompromiss das Jahr 2027 ins Spiel gebracht. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) würde aber gerne noch schneller vorwärtskommen: "2025 wäre für mich ein machbarer Zeitplan", sagte er. Besserer Schutz der Außengrenzen sei Bedingung dafür, die im Zuge der Flüchtlingskrise eingeführten Kontrollen an den Binnengrenzen wieder aufzuheben.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2018
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