Terror:Wie Italien ins Visier libyscher Islamisten gerät

Terror: Carabinieri vor dem Parlament in Rom

Carabinieri vor dem Parlament in Rom

(Foto: AFP)
  • Islamistische Extremisten in Libyen drohen Italien mit Terror.
  • Italienische Politiker fordern ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft in dem nordafrikanischen Land, notfalls militärisch.
  • Erstmals haben Schlepper auf dem Mittelmeer ein Schiff der Küstenwache beschossen. Das Schleusen von Flüchtlingen ist mittlerweile in der Hand von Dschihadisten.
  • Der italienische Ex-Regierungschef und ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi bietet sich als Vermittler für das Bürgerkriegsland an.

Von Oliver Meiler, Rom

Italien fühlt sich bedroht. Aus Libyen kommen nicht mehr nur verzweifelte Flüchtlinge, sondern auch Terrordrohungen. In seinem jüngsten Video kündigt der libysche Ableger der Miliz Islamischer Staat (IS) in Libyen eine Offensive gegen Italien an: "Früher habt ihr uns auf syrischen Hügeln stehen sehen, heute stehen wir schon im Süden Roms - in Libyen", hört man einen Anführer sagen. "Mit der Hilfe Gottes werden wir Rom erobern, so hat es unser Prophet versprochen."

Erst vor wenigen Tagen hatte die Terrorgruppe Außenminister Paolo Gentiloni einen "Kreuzritter" genannt, einen Feind also. Die italienischen Medien fragen: Muss man die Terroristen ernst nehmen?

Italiens Botschaftsmitarbeiter in dramatischer Operation in Sicherheit gebracht

Als ehemalige Kolonialmacht spielt Italien noch immer eine bedeutende Rolle in Libyen, politisch und wirtschaftlich. Es ist das einzige westliche Land, das im vergangenen Sommer beschloss, den Betrieb seiner Botschaft in Tripolis aufrechtzuerhalten. Sie dient dem bisher unglücklich agierenden spanischen UN-Sondergesandten Bernardino León als Verhandlungsort.

Nun aber zog Italien am Wochenende einen Großteil des Personals ab und brachte es in einer dramatischen Operation außer Landes: auf einem Schnellboot, eskortiert von der italienischen Marine und ständig beobachtet von einer Drohne aus der Luft.

Rom beteuert zwar, die Botschaft habe nur "vorübergehend" ihre Aktivitäten reduziert, leiste also auch fortan elementare Konsulardienste. Doch offenbar gab es klare Hinweise darauf, dass die Terroristen Aktionen gegen Ausländer und Christen planten. Die Wahrscheinlichkeit ist deshalb groß, dass auch die etwa siebzig verbliebenen Italiener, vor allem Angestellte des Energiekonzerns Eni, das Land bald verlassen werden.

Rom findet, der Westen müsse schnell reagieren, notfalls militärisch

In Rom herrscht derweil weitgehend Einigkeit darüber, dass der Westen schnell reagieren müsse - wenn möglich politisch und diplomatisch, notfalls aber auch militärisch im Rahmen einer Mission der Vereinten Nationen.

Premier Matteo Renzi sagte, Italien sei bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wie diese genau aussehen könnte, mochte er aber nicht ausführen. Für einige Aufregung hatte davor seine Verteidigungsministerin Roberta Pinotti gesorgt. In einem Interview sagte sie, Italien sei bereit, 5000 Soldaten zu entsenden. Später nahm sie die Aussage zurück.

Das Geschäft mit den Flüchtlingen ist in Händen der Dschihadisten

Renzi warnt schon lange vor den Gefahren, die Europa aus dem Zerfall des nahen libyschen Staates erwachsen können. Besonders beim Thema Flüchtlinge fühlt sich Italien alleine gelassen.

Am Sonntag rettete die italienische Küstenwache hundert Seemeilen südlich von Lampedusa 2100 Flüchtlinge, die von Schleppern unter Waffendrohung auf die Reise geschickt worden waren. Als die Küstenwache sich den Flüchtlingen näherte, um sie an Bord zu nehmen, schossen die Schleuser auf die Retter - das gab es noch nie. Sie wollten ihre Boote zurückhaben. Das Geschäft mit den Flüchtlingen soll mittlerweile fest in den Händen von Dschihadisten sein.

Wehmut nach Gaddafi

In Italien wächst ob des Chaos in Libyen die Wehmut nach der politischen Stabilität, wie sie dort unter Muammar al-Gaddafi geherrscht habe. Man räumt zwar im rechten wie im linken Lager ein, dass Gaddafi ein Tyrann gewesen sei. Doch immerhin habe sein Regime das Aufkommen der Islamisten verhindert und die Küsten bewacht.

Außerdem hatte Gaddafi dafür gesorgt, dass die wirtschaftlichen Interessen Italiens, vor allem jene von Eni, geschützt waren. Der Ölkonzern konnte seine Präsenz in den vergangenen Jahren trotz der politischen Wirren halten, jedoch auf deutlich niedrigerem Niveau.

Romano Prodi will vermitteln

Zu Wort meldete sich nun auch Romano Prodi. Der Westen, so der frühere Regierungschef und EU-Kommissionspräsident, sei schuld daran, dass Libyen nach dem Sturz und Tod Gaddafis in der Anarchie versinke. Man habe sich nicht darum gekümmert, was nach der Invasion kommen würde.

Prodi war schon einmal im Gespräch als diplomatischer Vermittler für Libyen, wurde aber übergangen. Nun sagte der Politiker, er stehe noch immer zur Verfügung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: