Süddeutsche Zeitung

Terrormiliz:Mutmaßlicher IS-Kämpfer will sich zurück nach Deutschland klagen

  • Die Rechtsanwälte eines mutmaßlichen IS-Kämpfers wollen die Bundesregierung dazu verpflichten, den gebürtigen Deutschen aus dem Irak zurückzuholen.
  • Sie haben am Mittwoch beim Verwaltungsgericht Berlin Klage eingereicht und berufen sich auf die Fürsorgepflicht der Bundesrepublik.
  • Diese weigert sich jedoch bisher, in das Gebiet des Islamischen Staates ausgewanderte Deutsche zurückzuholen.

Von Annette Ramelsberger

Die Rechtsanwälte eines mutmaßlichen Kämpfers der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wollen die Bundesregierung dazu verpflichten, den gebürtigen Deutschen aus dem Irak zurückzuholen. Sie haben am Mittwoch beim Verwaltungsgericht Berlin Klage eingereicht. Die Anwälte Seda Basay-Yildiz und Ali Aydin berufen sich auf die Fürsorgepflicht der Bundesrepublik für ihre Staatsangehörigen. Danach muss das Land alles tun, um die Todesstrafe von ihren Bürgern abzuwenden. Und die droht dem Deutschen, der im Irak in Haft sitzt.

Der Mann, um den es geht, ist ein 27 Jahre alter Hesse, ihm wird im Irak die Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Er ist 2016 gemeinsam mit seiner deutschen Frau in den Irak ausgereist, dort bekamen sie zwei Kinder. Seine Frau und die Kinder wurden bereits im vergangenen Jahr zurückgeholt. Der Mann sitzt weiter in Haft. Zu einer Anklage kam es nach Auskunft seiner Anwälte bislang nicht. Ihn erwarte im Irak im Falle einer Verurteilung die Todesstrafe. Erst in der vergangenen Woche hätten irakische Gerichte französische IS-Kämpfer zu Todesstrafen verurteilt, schreiben die beiden Anwälte. Und der Irak vollstrecke diese Todesstrafen auch.

Die Bundesregierung weigert sich bisher, in das Gebiet des Islamischen Staates ausgewanderte Deutsche zurückzuholen. Nur die Kinder dieser Menschen will sie nach langem Zögern in Deutschland aufnehmen. Für die inhaftierten IS-Kämpfer befürwortet das Innenministerium einen internationalen Gerichtshof, auch Außenminister Heiko Maas (SPD) ist gegen eine Rückholung der Deutschen, die sich dem IS angeschlossen haben. Justizministerin Katarina Barley hatte sich sogar für die Aberkennung der Staatsbürgerschaft ausgesprochen.

Der Staat habe die Aufgabe, das Leben seiner Bürger zu schützen, argumentieren die Anwälte

Der Deutsche sitzt in kurdischer Haft. Zu den Kurden hat die Bundesregierung recht enge Beziehungen, immerhin gelang es dem Präsidenten der Bundespolizei vor einem Jahr, einen wegen Mordes an einer jungen Frau namens "Susanna" gesuchten Iraker von dort innerhalb weniger Tage zurückzubringen. Der Mann wurde der Bundespolizei auf dem Flugplatz direkt in die Maschine gebracht. Es geht also, sagen die beiden Anwälte und argwöhnen, dass die Bundesregierung aus politischen Motiven ihren Mandanten nicht nach Deutschland bringen will. Dabei führe die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den Mann.

Doch die Bundesregierung dringe nicht auf die Auslieferung des Mannes und zeige keine Bemühungen, um seiner habhaft zu werden, so die Anwälte. Andere Inhaftierte im Irak habe sie jedoch nach Hause geholt, so zwei Frauen, die sich den Islamisten angeschlossen hatten. "Die Bundesregierung versucht, sich durch taktisches Nichtstun und durch scheinheilige Argumente ihrer Pflicht zu entziehen", kritisieren die Anwälte. Sie berufen sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Bundesregierung ihren Staatsbürgern Schutz gegenüber dem Ausland geben muss. Der deutsche Staat habe die Aufgabe, das Leben seiner Staatsbürger zu schützen.

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SZ vom 06.06.2019/swi
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