Nach den mutmaßlichen Anschlagsplänen gegen ein Konzert des US-Popstars Taylor Swift in Wien hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser vor einer anhaltend hohen Terrorgefahr auch in Deutschland gewarnt. „Die Bedrohungslage hat sich seit dem Terror der Hamas gegen Israel und dem Gaza-Krieg weiter verschärft“, sagte Faeser am Donnerstag beim Besuch des Bundesamts für Verfassungsschutz in Köln. Das Risiko der weiteren Emotionalisierung und Radikalisierung von gewaltbereiten Islamisten sei „hoch“. Auch Deutschland stehe im Fokus dschihadistischer Organisationen, vor allem des IS und seines aktuell gefährlichsten Ablegers ISPK.
Deutsche Sicherheitsbehörden fürchten, dass die drohende Eskalation des Nahostkonfliktes auch Einfluss auf die Sicherheitslage in Deutschland hat. Der IS und seine Ableger sowie die Organisationen Hamas und Hisbollah versuchten, nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem folgenden Einsatz der israelischen Armee im Gazastreifen in Europa eine Radikalisierung zu fördern, warnte auch Sinan Selen, Vizechef des Verfassungsschutzes. Einzeltäter und kleine Gruppen würden durch islamistische Terrorgruppen im Internet beeinflusst und in ihren Planungen unterstützt.
11 500 Löschersuchen wegen Terrorpropaganda
Vergangene Woche hatten Geheimdienste den drohenden Anschlag auf das Swift-Konzert in Wien vereitelt. Österreichische Behörden nahmen einen 19-jährigen Hauptverdächtigen fest. Der Österreicher mit nordmazedonischen Wurzeln soll einen Anschlag auf eine Menschenmenge vor dem Stadion geplant haben. An seinem Wohnort fand die Polizei Sprengstoff und Waffen. Dies hat auch in Deutschland die Angst der Behörden vor der Radikalisierung von Einzeltätern noch weiter verstärkt. Wie aktiv die Terrorgruppen derzeit im Netz sind, machen zudem neue Zahlen deutlich. Das Bundeskriminalamt hat seit dem 7. Oktober 2023 fast 11 500 Löschersuchen an Onlineplattformen gerichtet, die überwiegend Terrorpropaganda des IS betrafen, wie aus dem Bundesinnenministerium verlautete.
Die erneute Eskalation des Nahostkonfliktes hatte schon in den vergangenen Monaten eine drastische Zunahme antisemitischer Straftaten in Deutschland zur Folge. Allein im zweiten Quartal hat die Polizei laut Innenministerium 715 solcher Taten registriert, darunter 19 Gewalttaten. Sicherheitsbehörden sprechen sich dafür aus, an den strengen Sicherheitsvorkehrungen, darunter auch Grenzkontrollen, nach den Sport-Großereignissen des Sommers festzuhalten. Mit dem Ende der Fußball-EM und der Olympischen Spiele sei die „Sicherheitslage nicht abgeschlossen“, sagte Versfassungsschutz-Vizechef Selen. „Die Situation ist brandgefährlich“, betonte auch Faeser.
Ohne Gesetzesänderung keine automatische Gesichtserkennung
Das Innenministerium plant derweil, den Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Terrorismus, aber auch gegen Sabotage und organisierte Kriminalität den Einsatz künstlicher Intelligenz zu ermöglichen. Ein Gesetzentwurf Faesers sieht vor, dass BKA und Bundespolizei künftig Programme zur Gesichtserkennung einsetzen dürfen. Ermittler sollen demnach Fotos und Videos von Verdächtigen mit Bildern in den sozialen Netzwerken abgleichen können. So sollen nicht nur Verdächtige identifiziert, sondern auch Kontaktpersonen erkannt, Reisen nachvollzogen und flüchtende Täter schneller ausfindig gemacht werden. Ohne eine solche Gesetzesänderung müssen Fotos und Videos manuell verglichen werden. Die Sicherheitsbehörden brauchten zeitgemäße Befugnisse für einen biometrischen Internetabgleich, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.
Der Druck auf die Politik war gewachsen, seit die Fahndung nach der ehemaligen RAF-Terroristin Daniela Klette Defizite der deutschen Behörden aufgedeckt hatte. Ein Journalist hatte mit einem Gesichtserkennungsprogramm im Internet Fotos von Klette gefunden, die Rückschlüsse auf ihren Aufenthaltsort zuließen. Eine Echtzeit-Überwachung durch Kameras im öffentlichen Raum sei von dem Gesetzentwurf allerdings nicht abgedeckt, schränkt das Bundesinnenministerium ein. Das Kabinett und der Bundestag müssen den Änderungen von BKA-Gesetz und Bundespolizeigesetz noch zustimmen.