Süddeutsche Zeitung

Terror in Paris:Was wir über die Spur zum "Islamischen Staat" wissen

Einer der Attentäter wurde inzwischen als Franzose identifiziert, aber welches Netzwerk wirkt im Hintergrund? Und was hat die Festnahme eines möglichen Terrorhelfers bei Rosenheim mit ihnen zu tun? Ein Überblick über die bisherigen Spuren.

Wenige Stunden nach den schweren Anschlägen in Paris mit mindestens 128 Toten verdichten sich die Anzeichen, dass Anhänger der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) für die Angriffe verantwortlich sind. In sozialen Netzwerken verbreiteten Kanäle, die dem IS nahestehen, ein Bekennerschreiben auf Französisch. Präsident François Hollande hat den IS als Verantwortlichen benannt. (Lesen Sie hier mehr darüber, was bislang zum Ablauf des Abends bekannt ist.)

  • Wieso wählten die Terroristen diese Ziele aus?

In dem noch nicht verifizierten Bekennerschreiben steht, "Soldaten des Kalifats" hätten "die Hauptstadt der Abscheulichkeit und Perversion" angegriffen. Die Schauplätze der Anschläge seien gezielt ausgewählt worden: das Stade de France, weil Frankreichs Präsident Hollande sich dort aufgehalten habe; die Konzerthalle Bataclan, weil "Götzendiener" dort gefeiert hätten - tatsächlich spielte dort eine Popband. In dem Schreiben wurden weitere Angriffe gegen Staaten angedroht, die sich wie Frankreich an der Militärkoalition gegen den IS beteiligen.

  • Was ist über die Täter bekannt?

Wenig. Acht Terroristen sollen es gewesen sein, alle jung, teils unter 20. In der Nähe eines getöteten Attentäters wurde ein syrischer Pass gefunden, es gab auch Augenzeugenberichte, dass die Täter "Allahu akbar" gerufen hätten. Einer der Geiselnehmer soll gesagt haben: "Hollande ist schuld, euer Präsident ist schuld, er hat nicht in Syrien einzugreifen." Obwohl Hollande mitteilte, man kenne die Täter, ist mehr bisher nicht nach außen gedrungen.

  • Was ist über die Planung und Hintermänner bekannt?

Der Bekennerbrief allein sage nichts zur Planung der Anschläge aus, erklärte Charlie Winter, Nahost-Experte der auf Extremismus spezialisierten britischen Quilliam Foundation. Es sei unklar, ob die Angriffe nur vom IS inspiriert oder auch von der Organisation gesteuert waren.

Ein entscheidender Unterschied: So wäre denkbar, dass die Angreifer zwar mit der Ideologie der Terrormiliz sympathisierten, aber ohne konkreten Befehl der Islamisten zuschlugen. Sie hätten sich eigenständig radikalisiert und losgelöst von den Aktivitäten des Terrorbündnisses in Syrien und dem Irak gehandelt. Falls aber der IS-Führungszirkel selbst den Befehl zu den Anschlägen erteilt hätte, wäre dies ein Hinweis auf eine deutlich straffere Organisationsstruktur als bislang vermutet.

Die Anschläge wurden in jedem Fall sorgsam geplant, was auf eine gewisse Anzahl von Hintermännern hindeutet. So verfügten die Täter über Sturmgewehre, Handgranaten und Sprengstoffgürtel. Die Explosionen am Stade de France, mit denen die Terrorserie gegen 21.30 Uhr begann, fielen zeitlich in etwa zusammen mit den ersten Schüssen im X. und XI. Arrondissement. Die Schauplätze sind rund 20 Kilometer voneinander entfernt, es müssen sich also mindestens zwei Gruppen abgesprochen haben.

Eine weitere Spur führt bis nach Bayern in die Nähe von Rosenheim. Dort war bayerischen Schleierfahndern schon am 5. November ein Mann mit montenegrinischem Pass ins Netz gegangen.

Bei einer Kontrolle des Fahrzeugs entdeckten hinzugezogene Beamte des Landeskriminalamts (LKA) ein Geheimversteck, in dem sich mehrere Pistolen, Revolver, Munition, Maschinenpistolen sowie einige Kilogramm TNT-Sprengstoff befunden hätten, meldete der Bayerische Rundfunk. Ministerpräsident Horst Seehofer erklärte am Rande des Landesparteitags der CDU Sachsen: "Es gibt die begründete Annahme, dass es möglicherweise mit der Sache zusammenhängt."

Der festgenommene 51-Jährige schweigt bislang zur Herkunft der Waffen und für wen sie bestimmt waren. Aus Unterlagen im Fahrzeug hatte die Polizei nach BR-Informationen geschlossen, dass der Mann unterwegs nach Paris war. Die französischen Sicherheitsbehörden seien über den Vorfall informiert worden, sagte ein Sprecher des LKA.

Organisierte Kriminalität und Waffenschmuggel sind in Montenegro weit verbreitet, auch Pässe des Landes sind leicht erhältlich. Montenegro ist eine Republik an der südöstlichen Adriaküste. Sie grenzt an Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Albanien sowie an Kosovo und liegt abseits der eigentlichen Balkanroute, auf der derzeit auch Flüchtlinge reisen.

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