Terror in Paris:Was wir über die Anschläge und die Attentäter wissen

  • 129 Menschen sind bei den Anschlägen in Paris am Freitag, den 13. November, ums Leben gekommen. Möglicherweise steigt die Zahl der Toten noch.
  • Die acht Attentäter waren in drei Gruppen in der Pariser Innenstadt beziehungsweise in Saint-Denis beim Stade de France unterwegs.
  • Einer der Terroristen ist bereits identifiziert, zudem führt eine Spur der Ermittler nach Belgien.
  • Womöglich ist die Terrororganisation Islamischer Staat für die Anschläge verantwortlich.

Von Dominik Fürst und Felicitas Kock

Nach der Anschlagsserie in Paris am Freitagabend sind viele Fragen offen, doch erste Erkenntnisse zum Tathergang, den Attentätern und ihrer Motivation verdichten sich. Was wir wissen - und was wir nicht wissen.

Was über den Hergang der Anschlagsserie bekannt ist

Staatsanwalt François Molins hat auf der Pressekonferenz am Samstagabend den Stand der Ermittlungen präsentiert und dabei eine Chronologie der Ereignisse vorgelegt. Demnach brach der Terror am Freitagabend um 21.20 Uhr über Paris herein, als ein Selbstmordattentäter mit Sprengstoffgürtel sich am Stade de France in Saint-Denis in die Luft gesprengt und mindestens einen Menschen mit in den Tod gerissen hat. Er war Teil eines von drei Terroristen-Kommandos, die der Staatsanwaltschaft zufolge die französische Hauptstadt heimsuchten. Zwei weitere Selbstmordattentäter sprengten sich nur kurze Zeit später ebenfalls in der Nähe des Fußballstadions, in dem gerade die deutsche Nationalmannschaft gegen Frankreich spielte, in die Luft.

Ein zweites Terror-Kommando wütete in Bars und Restaurants im 10. und 11. Arrondissement zwischen 21.25 und etwa 21.45 Uhr. Die Attentäter waren offenbar in einem Seat Leon unterwegs und schossen mit Kalaschnikows auf Zivilisten. An verschiedenen Tatorten kamen insgesamt 39 Menschen ums Leben, mindestens 18 wurden schwerverletzt. An den Schauplätzen wurden jeweils hunderte Patronenhülsen gefunden.

Das dritte Team, das für den schwersten der Anschläge verantwortlich war, bestand aus drei Personen, die in einem VW Polo unterwegs gewesen sein sollen. Um 21.40 Uhr drangen sie ins berühmte Bataclan ein, wo die Popband "Eagles of Death Metal" gerade ein Konzert gab, und schossen in die Menge.

Bei dem Angriff starben insgesamt 89 Menschen, einige von ihnen kamen ums Leben, als die Polizei gegen 00.20 Uhr den Saal stürmte und die Terroristen erschoss, wobei die Sprengstoffgürtel der Attentäter in die Luft gingen beziehungsweise noch gezündet wurden.

Ein Angreifer ist identifiziert

Wer sind die Täter?

Darüber ist bisher nur wenig bekannt. Fest steht, dass es mindestens acht Terroristen waren, die am Freitagabend in Paris mordeten. Alle waren jung, alle starben. Sieben sprengten sich selbst in die Luft, einen erschoss die Polizei. Alles deutet zudem darauf hin, dass die Anschlagsserie islamistisch motiviert war.

Staatsanwalt Molins bestätigte, dass einer der Attentäter bereits identifiziert wurde: Bei einem der Bataclan-Angreifer handele es sich um einen 29-jährigen Franzosen, der den Behörden wegen seiner Radikalisierung bekannt gewesen sei. Er sei mehrfach vorbestraft, allerdings niemals wegen Verbindungen in dschihadistische Netzwerke, sagte der Staatsanwalt.

Bei einem der Selbstmordattentäter vom Stade de France wurde zudem ein syrischer Pass gefunden, bestätigte Molins. Der Attentäter könnte demnach Anfang Oktober als Flüchtling aus der Türkei nach Griechenland gekommen sein. "Der Inhaber des Passes war am 3. Oktober 2015 nach den Regelungen der EU auf der Insel Leros registriert worden", hatte ein griechischer Minister mitgeteillt. Ob der Pass auch tatsächlich zum Terroristen gehört, ist aber nicht bestätigt.

Die Polizei fahndet nach möglichen Komplizen und Hintermännern der Attentäter, nicht nur in Frankreich. Eine Spur führt nach Belgien. Dort wurden am Samstag mehrere Personen festgenommen, darunter drei Verdächtige, die offenbar mit der Anschlagsserie vom Freitagabend in Verbindung stehen. Einer sei Franzose, zwei Belgier, hieß es von den belgischen Behörden. Der schwarze Polo vor dem Bataclan-Theater soll von einer Person mit französischem Pass ausgeliehen worden sein, die zuletzt in Belgien lebte. Die Person sei am Samstagmorgen bei einer Routinekontrolle an der Grenze in einem dritten Auto aufgegriffen sein worden.

Führt die Spur zum IS?

Was über die Opfer bekannt ist

129 Menschen sind bei den Anschlägen von Paris getötet worden. Als der Pariser Staatsanwalt diese Zahl bei der Pressekonferenz am Samstagabend ausspricht, ist klar, dass sie noch steigen wird. 99 der insgesamt 352 Verletzten befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch in Lebensgefahr.

Über die Identität der Opfer ist noch nicht viel bekannt. Da die Anschläge größtenteils in einem Ausgehviertel von Paris verübt wurden, handelt es sich vor allem um junge Erwachsene. Auf dem Popkonzert im Club Bataclan, in dem 89 Menschen getötet wurden, waren französischen Medienangaben zufolge vor allem Musikfans Anfang 20. Unter ihnen befanden sich auch Ausländer. CNN berichtet über eine getötete US-Amerikanerin. Über Opfer aus Deutschland hat das Außenministerium in Berlin noch keine Informationen.

Die offizielle Notfallnummer zur Suche nach Angehörigen in Paris lautet 0800 406 005. Außerdem hat Facebook die "Safety-Check"-Funktion für Paris aktiviert: Nutzer in den betroffenen Gebieten können über die Facebook-App oder auf einer eigens dafür eingerichteten Webseite eintragen, dass sie in Sicherheit sind und den Status ihrer Freunde einsehen.

Führt eine Spur zum IS?

Erst war es nur eine Vermutung, dann tauchte in den sozialen Netzwerken ein angebliches Bekennerschreiben auf, am Samstagnachmittag schließlich sprach Frankreichs Präsident François Hollande deutliche Worte: Die Terrororganisation Islamischer Staat soll für die Anschläge in Paris verantwortlich sein.

In dem noch nicht verifizierten Bekennerschreiben steht, "Soldaten des Kalifats" hätten "die Hauptstadt der Abscheulichkeit und Perversion" angegriffen. Die Schauplätze der Anschläge seien gezielt ausgewählt worden: das Stade de France, weil Frankreichs Präsident Hollande sich dort aufgehalten habe; die Konzerthalle Bataclan, weil "Götzendiener" dort gefeiert hätten - tatsächlich spielte dort eine Popband. In dem Schreiben wurden weitere Angriffe gegen Staaten angedroht, die sich wie Frankreich an der Militärkoalition gegen den IS in Syrien und im Irak beteiligen.

Unklar ist, ob die Angriffe nur vom IS inspiriert oder auch von der Organisation gesteuert waren. Sowohl das organisierte Vorgehen als auch die Ausstattung der Täter mit Sturmgewehren und Sprengstoffgürteln lässt Experten zufolge auf eine gewisse Zahl an Hintermännern schließen. Falls tatsächlich der IS-Führungszirkel den Befehl zu den Anschlägen erteilt hätte, wäre dies ein Hinweis auf eine deutlich straffere Organisationsstruktur als bislang vermutet.

Die Einordnung

Die Terrorserie des 13. November ist eine der tödlichsten seit dem 11. September 2001 in der westlichen Welt. Bei einem Anschlag in Spanien im März 2004 starben 191 Menschen - bei dem Attentat auf das Satiremagazin Charlie Hebdo und den weiteren Ereignisse um und in Paris im Januar 17.

Anne Hidalgo, Bürgermeisterin der französischen Hauptstadt, sprach von "barbarischen Akten des Terrors", die Paris ins Herz getroffen hätten. Weltweit reagierten Politiker bestürzt und drückten ihre Anteilnahme aus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: