Terror in Paris:Die Attentäter und ihre Hintermänner

Terror in Paris: Screenshot einer IS-Propagandaseite: Der belgische Dschihadist Abdelhamid Abaaoud

Screenshot einer IS-Propagandaseite: Der belgische Dschihadist Abdelhamid Abaaoud

(Foto: AP)

Wer waren die Männer, die am Freitag in Paris mordeten und sich in die Luft sprengten? Und wer führte sie an?

Von Esther Widmann

Noch ist nicht endgültig geklärt, wie viele Terroristen an den Anschlägen am Freitag beteiligt waren. Fest steht jedoch: Sieben Attentäter sind ums Leben gekommen, fünf von ihnen haben die Ermittler inzwischen identifiziert. Die französische Polizei hat überdies Erkenntnisse über mindestens zwei Personen, die an den Anschlägen beiteiligt waren und sich auf der Flucht befinden. Mindestens einer der beiden, Abdelhamid Abaaoud, soll im Pariser Vorort Saint-Denis gesehen worden sein; die Ermittler vermuteten ihn in einer Wohnung, in der sich mehrere Verdächtige verschanzt hatten. Die Polizei rückte am Mittwochmorgen an - beim Zugriff kam es zu einer Schießerei. Eine Frau soll sich in die Luft gesprengt haben.

Die mutmaßlichen Hintermänner

Abdelhamid Abaoud

Belgischen und französischen Medienberichten zufolge könnte der belgische Dschihadist Abdelhamid Abaaoud die Anschläge von Paris koordiniert haben. Der meistgesuchte Islamist Belgiens soll mindestens einen, wenn nicht zwei der Selbstmordattentäter gut gekannt haben. Der Name eines Selbstmordattentäters von Paris tauchte bereits in mehreren Strafverfahren aus den Jahren 2010 und 2011 zusammen mit dem von Abdelhamid Abaaoud auf, wie die flämischen Zeitungen De Standaard und Het Nieuwsblad am Montag unter Berufung auf belgische Sicherheitsdienste berichtet.

Der 27-jährige Abaaoud soll auch die vereitelten Anschlägen von Januar im ostbelgischen Verviers organisiert haben. Abaaoud, der auch unter dem Pseudonym Abu Omar al-Baljiki agiert, war im Juli in Belgien in Abwesenheit zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Zuletzt soll er sich in Syrien aufgehalten haben. Er ist in mehreren IS-Propaganda-Videos zu sehen. In einem Video fährt er ein Auto, das vier verstümmelte Leichen hinter sich herzieht. Früher lebte er in der Brüsseler Hauptstadtgemeinde Molenbeek-Saint-Jean.

In Belgien wird der Mann seit diesem Jahr vor allem mit der Gruppe von Verviers in Verbindung gebracht. Am 15. Januar 2015, wenige Tage nach den Attentaten auf die Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt in Paris, hatte die Polizei in dem ostbelgischen Örtchen ein Haus gestürmt. Zwei Verdächtige, die Anschläge gegen die Polizei geplant haben sollen, kamen dabei ums Leben. Abaaoud war nicht unter den Getöteten. Kurze Zeit später gab er aber in einem Magazin des IS an, die vereitelten Attentate geplant zu haben. "Wir haben es endlich geschafft, nach Belgien zu kommen. Wir haben es geschafft, Waffen zu besorgen und ein Versteck aufzubauen mit dem Plan, Operationen gegen die 'Kreuzritter' zu führen."

Später versuchte die Polizei den 27-Jährigen bei einer Razzia in Athen zu fassen, von wo aus Abaaoud Medienberichten zufolge mit den in Verviers Getöteten in Verbindung stand. Die Aktion schlug jedoch fehl, Abaaoud wurde nicht gefasst. Er habe "trotz der von so vielen Geheimdiensten betriebenen Jagd" nach Syrien entkommen können, rühmte er sich später.

Fabien Clain

Der 35-Jährige wurde in Frankreich 2009 zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er Kämpfer für den IS rekrutiert haben soll. Nach seiner Freilassung setzte er sich nach Syrien ab. Die Ermittler identifizierten den aus Toulouse stammenden Franzosen am Dienstag als den Mann, der sich in einer Audiobotschaft im Namen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu den Anschlägen von Paris mit 129 Toten bekannt hatte. Clain gehörte einst der islamistischen Szene in Toulouse an und stand dem Attentäter Mohamed Merah nah, der 2012 sieben Menschen erschoss.

Die Attentäter vom Bataclan

Die Brüder Abdeslam

Zwei französische Brüder waren offenbar an den Attentaten beteiligt. Die verstümmelte Leiche des 31-jährigen Brahim Abdeslam hat die Polizei am Boulevard Voltaire in der Nähe des Bataclan gefunden, wo er sich in die Luft sprengte. Er wohnte - ebenso wie früher der mutmaßliche Drahtzieher Abaaoud - im Brüsseler Vorort Molenbeek, der als eine Hochburg von gewaltbereiten Islamisten in Belgien gilt.

Nach seinem Bruder, dem 26-jährigen Salah Abdeslam, läuft eine internationale Fahndung. Abdeslam ist in Brüssel geboren, ist aber französischer Staatsbürger. Der VW Polo, mit dem eine Gruppe der Attentäter zum Konzertsaal Bataclan fuhr, war offenbar auf seinen Namen gemietet. Medienberichten zufolge stoppten Polizisten ihn und zwei weitere Personen nur Stunden nach den Pariser Anschlägen nahe der belgischen Grenze in einem Auto, ließen sie aber schließlich weiterfahren.

Ein dritter Bruder mit Namen Mohammed Abdeslam wurde in Belgien festgenommen - inzwischen aber wieder freigelassen. Seine Anwältin sagte, er habe "nicht das gleiche Leben gewählt" wie seine Brüder.

Samy Amimour

Samy Amimour war einer von drei Selbstmordattentätern im Bataclan. Geboren am 15. Oktober 1987 in Paris, wohnte er im Vorort Drancy nordöstlich der Stadt. Wegen Verbindungen zu Terroristen stand er seit Oktober 2012 unter Beobachtung der Staatsanwaltschaft, weil er in den Jemen ausreisen wollte. Im Herbst 2013 tauchte er unter und wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Ismaël Omar Mostefaï

Mit Hilfe eines abgetrennten Fingers konnten die Ermittler einen der im Bataclan getöteten Attentäter als Ismaël Omar Mostefaï benennen. Seine Fingerabdrücke waren wegen kleiner krimineller Delikte in der Polizeikartei gespeichert. Über ihn ist inzwischen einiges bekannt: Er war 29 Jahre alt, hatte algerische Wurzeln und eine kleine Tochter. Er soll am Steuer des Autos mit belgischem Kennzeichen gesessen haben, mit dem die Terroristen zu dem Konzertsaal fuhren.

Die Attentäter vom Stade de France

Ahmad Al-Mohammad

Bei einem der drei Männer, die sich am Stade de France in die Luft sprengten, fanden die Ermittler einen syrischen Pass auf den Namen Ahmad Al-Mohammad, geboren am 10. September 1990 in Idlib, Syrien. Ob der Pass echt ist, muss sich noch zeigen; die französische Justizministerin Christiane Taubira sprach zunächst von einer Fälschung.

Offenbar stimmen jedoch die Fingerabdrücke des Leichnams mit denen überein, die eine griechische Registrierungsstelle für Flüchtlinge im Oktober 2015 aufgenommen hat. Drei Personen aus seinem familiären Umfeld befinden sich nach Auskunft der französischen Staatsanwaltschaft seit heute Morgen in Polizeigewahrsam.

Zwei weitere Selbstmordattentäter am Stade de France

Bei dem zweiten Selbstmordattentäter in der Nähe des Stade de France soll es sich nach unbestätigten Medienberichten um den 20-jährigen Franzosen Bilal Hadfi handeln.

Ein weiterer Terrorist, der sich nahe des Stadions in die Luft sprengte, ist noch nicht identifiziert.

Mit Material von AFP und AP

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