Terror:In der öffentlichen Debatte dominiert zunehmend eine Art Kriegsrhetorik

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Trotz seines massiven Vorgehens bekommt der Staat die Gewalt nicht in den Griff. Ebenso wenig ist eine politische Lösung in Sicht; weil beide Seiten weiter aufrüsten, aber auch, weil die parlamentarische Vertretung der Kurden, die HDP, immer mehr unter Druck gerät. Der Partei, im vergangenen Frühjahr noch ein Hoffnungsträger des Friedens, fällt es schwer, sich abzugrenzen von der militanten PKK. Zugleich verweigert die Regierung das Gespräch mit gemäßigten Kurden. Vor kurzem hatten Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan und Vertreter der Regierungspartei AKP gefordert, fünf Abgeordneten der HDP die Immunität zu entziehen, darunter auch die Parteichefs Selahettin Demirtaş und Figen Yüksekdağ. Inzwischen ist im Parlament ein komplizierter Streit um die Aufhebung der Immunität fast aller Abgeordneten entbrannt. Die fünf HDP- Politiker würden - falls es dazu käme - wohl vor Gericht gestellt werden, einer der Vorwürfe: Terrorpropaganda.

In der öffentlichen Debatte dominiert zunehmend eine Art Kriegsrhetorik, die vom Staatspräsidenten immer weiter getrieben wird. Vor einigen Tagen sagte Erdoğan: "Wer im Kampf gegen den Terror an unserer Seite ist, ist unser Freund, wer nicht, ist unser Feind." Alles andere - Demokratie, Rechtsstaat, Freiheit - zähle da nicht mehr. Es gebe keinen Unterschied zwischen einem Terroristen mit einer Bombe in der Hand und jenen, die den Terror mit einem Stift unterstützten. Die Absicht: Erdoğan will die juristische Definition von Terror noch weiter fassen. Künftig könnte dann jeder, der die Anti-Terror-Maßnahmen der Regierung kritisiert, als Terror-Unterstützer angeklagt werden, warnt der Hürriyet-Kolumnist Mustafa Akyol.

Beispielloser Druck

Schon jetzt ist der Druck auf Medienhäuser, Akademiker und Juristen beispiellos. Gegen drei Wissenschaftler, die eine Petition zum Frieden in den Kurdengebieten unterzeichnet hatten, wurde Haftbefehl erlassen. Ein britischer Dozent, der den Kollegen im Gerichtssaal beistehen wollte, wurde festgenommen und des Landes verwiesen; in seinem Rucksack hatten Wachleute Einladungen zum kurdischen Neujahrsfest gefunden. Als Can Dündar, Chefredakteur der regierungskritischen Tageszeitung Cumhuriyet, und sein Ankara-Korrespondent auf Anweisung des Verfassungsgerichts nach drei Monaten Haft entlassen werden sollten, erklärte Erdoğan, dass er die Entscheidung nicht respektieren werde. Zweimal haben die Behörden ganze Medienhäuser kaltgestellt, indem sie unter staatliche Kuratel gestellt wurden. Der Vorwurf: "Terrorpropaganda".

Wenn der Staat nicht "mit seiner unter Samthandschuhen versteckten Eisenfaust" auf die Köpfe der Terroristen einschlage, werde die Gewalt nicht aufhören, sagt Erdoğan. Bisher hat die Eisenfaust nicht verhindert, dass das Land weiter ins Chaos abgleitet.

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