Terror in New Orleans:Trauer über Bourbon Street

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„Das geht gegen Amerika“: Das Tatfahrzeug, der weiße Ford-Pick-up in der Bourbon Street, am Heck liegt die schwarze mutmaßliche IS-Fahne. (Foto: Gerald Herbert/dpa)

Vierzehn Tote und ungezählte Fragen – nach der Todesfahrt von New Orleans beginnt die Spurensuche: Was trieb den Täter an? Warum konnte er ungehindert auf die Flaniermeile rasen? Verbindungen zur Tesla-Explosion vor dem Trump-Hotel in Las Vegas sieht das FBI bisher nicht.

Von Fabian Fellmann, Washington

The Big Easy nennen sie New Orleans in den Vereinigten Staaten. Es lebt sich leichter und entspannter dort unten im Süden, wo die Grenzen verschwimmen zwischen dem Mississippi und dem Golf von Mexiko. Hier vermischen sich kaltes Süßwasser aus dem Norden und warmes Meereswasser, hier verschmelzen die Kulturen, das Französische der Gründer, die Spanier waren hier, 1803 kauften die USA das Gebiet. New Orleans ist eine Stadt des tiefen Südens Amerikas, im stockkonservativen Louisiana. Und gleichzeitig Hort karibischer Lebens- und Festfreude, des Karnevals Mardi Gras. Das historische New Orleans wurde geprägt nicht nur von den weißen Kolonisten, sondern mindestens ebenso stark von den Sklaven der nahen Baumwollplantagen sowie ihren Nachfahren, den Schöpfern des Jazz.

Im Herzen von New Orleans, im French Quarter, dem malerischen französischen Viertel mit seinen bunten Häusern und deren schmiedeeisernen Balkonen, bleibt das Leben nie stehen. Fast nie. Im kommenden Sommer begeht die Stadt den 20. Jahrestag ihres buchstäblichen Untergangs. Mehr als 700 Menschen kamen ums Leben, als die Deiche den Fluten nachgaben, die der Wirbelsturm Katrina in die Stadt drückte, und das Wasser fünf Meter hoch stand. Es dauerte Jahre, bis New Orleans die alte Lebensfreude wiedergefunden hatte, für die es weltberühmt ist.

Nun ist das Leben erneut unvermittelt zum Stillstand gekommen. Verwaist erwachte die Bourbon Street, die sonst stets pulsierende Ader der Altstadt, am Donnerstagmorgen in ungewohnter Stille. In der Neujahrsnacht war das Unglück wieder einmal über die Stadt hereingebrochen. Ein Veteran der US-Armee raste morgens um 3.15 Uhr mit einem Ford-Geländewagen an Absperrungen vorbei in die Bourbon Street, wo feiernde Menschen das neue Jahr willkommen hießen. Als der weiße Pick-up-Truck stehen blieb, schoss der Mann mit einem Sturmgewehr auf Polizisten, die das Feuer erwiderten und ihn tödlich trafen. 14 Menschen brachte der Attentäter um, weitere etwa drei Dutzend wurden zum Teil schwer verletzt. Er hatte selbstgebaute Sprengsätze im Auto, Schusswaffen, eine Fahne der Terrorgruppe IS.

Was den Mann aus Texas mit der Terrormiliz in Syrien und im Irak verbindet, ist bisher nicht klar

„Wir reden hier über eine der ikonischsten Städte und eine der bekanntesten Straßen der Welt“, sagte Stadtrat Oliver Thomas am Mittwoch nach der Attacke, die die Behörden als einen terroristischen Anschlag untersuchen. „Das ist keine Botschaft und kein Angriff auf New Orleans. Das geht gegen Amerika.“ Der Mann, der offenbar Amerika angegriffen hat, ist selbst Amerikaner, geboren und aufgewachsen in Texas, mehrere Jahre stand er im Dienst der US-Armee. Die Behörden identifizierten ihn als den 42-jährigen Shamsud J.

Präsident Joe Biden sagte am Mittwochabend bei einer Medienkonferenz auf seinem Landsitz Camp David, der Attentäter habe sich von der Terrormiliz IS anregen lassen: „Vor dem Angriff hatte er Videos auf sozialen Medien veröffentlicht, die darauf hinwiesen, dass er vom IS inspiriert war.“ Die Bundespolizei FBI untersucht nun die Verbindungen zwischen dem Mann und der Terrorgruppe, die hauptsächlich in Syrien und im Irak aktiv ist.

Anfangs hieß es von den Ermittlern, man gehe davon aus, dass der Täter nicht gänzlich allein gehandelt habe. Am Donnerstag revidierten FBI-Beamte das bei einer Pressekonferenz. Man habe keine Erkenntnisse, dass es weitere Beteiligte gab. Das FBI veröffentlichte ein Passfoto des Attentäters mit der Bitte um sachdienliche Hinweise.

Was den Mann aus Texas mit der Terrormiliz in Syrien und im Irak verbindet, ist bisher nicht klar. Shamsud J. war als Christ aufgewachsen, konvertierte aber in jungen Jahren zum Islam. Er diente fast acht Jahre lang in der US-Armee, unter anderem war er in Afghanistan im Einsatz, danach war er der Reserve zugeteilt. Einer Stellungnahme der Armee zufolge war er Personalfachmann und IT-Spezialist. Im Juli 2020 schied er aus der Reserve aus. Zuletzt arbeitete Shamsud J. bei einer privaten Beratungsfirma. Gerichtsunterlagen über zwei Scheidungen weisen darauf hin, dass er Geldprobleme hatte. Nachbarn und Bekannte beschrieben amerikanischen Medien Shamsud J. als höflichen, unauffälligen Mann, der zurückgezogen in Houston lebte.

Gibt es Verbindungen zur Explosion vor dem Trump-Hotel in Las Vegas? Darauf sehen die Ermittler keine Hinweise

Die Ermittler gingen nun unter anderem der Frage nach, ob ein Zusammenhang besteht mit der Explosion eines Geländewagens vor dem Trump-Hotel in Las Vegas. Dort war am Neujahrstag morgens um 8.30 Uhr Ortszeit ein Tesla-Cybertruck in Flammen aufgegangen. Der Fahrer kam dabei ums Leben, sieben Menschen wurden verletzt. Tesla-Chef Elon Musk ist der wichtigste Geldgeber und ein enger politischer Verbündeter von Donald Trump. Laut dem Sheriff von Las Vegas befanden sich im Kofferraum des Elektrofahrzeugs Feuerwerksraketen, Gaskartuschen und Kanister mit Brennstoff. Die Ermittler haben den Fahrer in Las Vegas inzwischen offenbar identifiziert – wie mehrere US-Medien aus Ermittlerkreisen berichten, soll der Mann aktiver Soldat in einer Eliteeinheit der US-Armee sein, er war demnach in Deutschland stationiert. Die Ermittlungen zum Motiven laufen.

Präsident Biden sagte, derzeit gebe es keine Hinweise, dass die Fälle zusammenhingen. Das bekräftigte das FBI am Donnerstag: „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine eindeutige Verbindung zwischen der Attacke hier in New Orleans und der in Las Vegas“, sagte ein Ermittler bei der Pressekonferenz.

Eine Gemeinsamkeit zwischen den Ereignissen von New Orleans und Las Vegas tauchte aber bald auf. Beide Fahrer hatten sich die Geländewagen über die Plattform Turo besorgt, die Autos privater Anbieter an Mieter vermittelt, ähnlich wie sich auf Airbnb Wohnungen finden lassen. Turo wird in den USA allerdings millionenfach genutzt. Dass Attentäter Autos als Waffen einsetzen, passiert immer wieder, auch in den USA.

Biden warnte vor voreiligen Schlussfolgerungen, die Schuldzuweisungen aber haben längst begonnen. Kritik gab es etwa an den Sicherheitsvorkehrungen der Behörden von New Orleans. Der Tatort, die Bourbon Street in der Altstadt, dem French Quarter, ist eine beliebte Ausgehmeile in der Touristenstadt, die allein im vergangenen Jahr mehr als 17 Millionen Besucher anzog. Zum Jahreswechsel halten sich besonders viele Menschen in der Stadt auf, und am Mittwochabend sollte dort der Sugar Bowl stattfinden, ein Playoff-Spiel des beliebten College-Footballs. Es wurde auf Donnerstag verschoben.

Der Täter fuhr auf den Gehsteig an der Blockade vorbei

Normalerweise riegeln Poller die Bourbon Street ab. Allerdings wurden diese vor Kurzem demontiert, da die Stadt neue metallene und versenkbare Poller installieren wollte, wie Polizeichefin Anne Kirkpatrick einräumte. „Dieser Mann wollte so viele Menschen überfahren, wie er konnte. Er war wild entschlossen, ein Blutbad anzurichten“, sagte sie.

Die Arbeiten an den Straßensperren gehörten zu den Vorbereitungen für den Super Bowl, das Finalspiel der Football-Saison, das am 9. Februar in New Orleans stattfinden wird. Anfang März folgt dann das meistbesuchte Ereignis der Stadt, der Karneval Mardi Gras. Die Polizei hatte in der Neujahrsnacht zwar ein Patrouillenfahrzeug in der Zufahrt zur Bourbon Street abgestellt. Doch der Täter fuhr auf den Gehsteig an der Blockade vorbei, wie Kirkpatrick sagte. Louisianas Gouverneur Jeff Landry versprach, transparent über allfällige Mängel zu informieren.

Bei Fox News wurden am Mittwoch allerdings bald ganz andere Schuldzuweisungen erhoben. Die Bundespolizei FBI und die Terrorabwehr der Geheimdienste hätten versagt, behaupteten mehrere Gäste des rechten Fernsehsenders. Verantwortlich seien Präsident Biden und die Demokraten. Das ist ganz im Sinne von Donald Trump, der am 20. Januar das Weiße Haus übernehmen wird. Er will das Justizministerium, die Bundespolizei und die Geheimdienste grundlegend umkrempeln, weil diese Ermittlungen gegen ihn geführt hatten, wegen des Sturms auf das US-Kapitol vor vier Jahren und wegen nachlässigen Umgangs mit Geheimakten.

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