Terror-Angst in den USA:Anschlagspläne der al-Qaida sind schon drei Jahre alt

Die in Pakistan entdeckten detaillierten Informationen über Terrorziele in den USA stammen fast ausschließlich aus der Zeit vor dem 11. September. Trotzdem betrachtet die US-Regierung "Code Orange" als gerechtfertigt. Denn: Bereits früher habe al-Qaida Ziele ausgekundschaftet, bevor es zu einem Anschlag kam.

Von Markus C. Schulte v. Drach

Die Gefahr von Terroranschlägen in den USA ist real - dass zu bezweifeln wäre angesichts der fast 3000 Opfer vom 11. September zynisch.

Es ist jedoch auch keine Frage, dass die Angst der Amerikaner vor Angriffen der Al-Qaida-Extremisten für die US-Regierung im Wahlkampf Rückenwind bedeutet.

Schließlich vertrauen die US-Bürger - bei aller Kritik am Präsidenten - George W. Bush als Kämpfer gegen den Terror noch immer mehr als seinem demokratischen Herausforderer John Kerry.

Es ist somit nicht aus der Luft gegriffen, wenn der demokratische Politiker Howard Dean der Regierung vorwirft, sie missbrauche das Thema Terrorismus im Wahlkampf.

In dieses Bild scheint auch zu passen, dass der größte Teil der Informationen über Anschlagspläne der al-Qaida, mit denen Heimatschutzminister Tom Ridge "Code Orange" für Washington und New York begründet, mehr als drei Jahre alt ist.

Auf die detaillierten Informationen über fünf US-Finanzzentren in New York, Washington und New Jersey als potentielle Anschlagsziele stießen die Ermittler, als kürzlich der Computerfachmann Mohammed Naeem Noor Khan in Pakistan gefasst wurde. Der Pakistaner soll für die Internet-Kommunikation der al-Qaida zuständig gewesen sein.

Im Rahmen der Festnahme fand die CIA auf Laptops, CDs und andere Speichermedien mit Daten, die die intensive Überwachung von mehreren Gebäuden in den USA belegen. Allerdings stammen die Informationen offenbar aus der Zeit vor dem 11. September.

"Nichts, von dem, was wir derzeit hören, ist wirklich neu", erklärte ein Angestellter der US-Regierung, der ungenannt bleiben wollte, der Washington Post.

Er gehört zu einer ganze Reihe von Regierungsbeamten, die den Medien gegenüber gestern inoffiziell zugaben, dass völlig unklar ist, ob die Extremisten ihre Anschlagspläne weiter verfolgt oder längst fallengelassen haben.

Lediglich für ein Gebäude gab es offenbar Daten vom Januar 2004. Nicht klar ist allerdings, ob die neuen Informationen auf eigene Beobachtungen des Terrornetzwerkes zurückgehen, oder ob es sich dabei um öffentlich zugängliche Daten handelt, berichtet die US-Zeitung.

Trotzdem müssen die neuen Informationen ernst genommen werden, so die Fachleute. Zum einen zeigen die detaillierten Pläne, wie gut die Organisation von Osama bin Laden auf neue Anschläge vorbereitet ist. Zum anderen haben die Extremisten bereits früher zugeschlagen, nachdem sie sich über mehrere Jahre auf ein Attentat vorbereitet hatten.

Zusammen mit den allgemeineren Hinweisen der Geheimdienste, dass die Terroristen noch dieses Jahr - möglicherweise in New York oder Washington - angreifen werden, rechtfertigt für das Weiße Haus die Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen und "Code Orange".

"Al-Qaida sammelt, sammelt, sammelt"

"Eine große Menge der Informationen kann man zwar als alt bezeichnen", erklärte ein höherer Regierungsbeamter. "Aber wir wissen, dass al-Qaida sammelt, sammelt, sammelt, bis sie zufrieden sind. Dann erst beginnen sie mit einer Operation." Und es gebe Anzeichen, dass einige der Informationen kürzlich erst aktualisiert wurden.

Deshalb nehmen auch die Demokraten die Warnung der Geheimdienste ernst - und deshalb hält sich John Kerry - im Gegensatz zu Howard Dean - mit dem Vorwurf zurück, es handle sich um eine Wahlkampf-Inszenierung der Regierung. Kerry kritisiert Bush vielmehr dafür, dass Bush so wenig Erfolge im Kampf gegen die al-Qaida aufzuweisen hat.

Bush hat unterdessen Kritik an den Terrorwarnungen, die viele Bürger verängstigt haben, zurückgewiesen.

"Wir haben die Pflicht, unsere Informationen weiterzugeben", erklärte der US-Präsident. "Die Menschen würden sonst noch viel nervöser. Sie würden fragen, was ihnen die Regierung vorenthält."

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