Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie:Schwarz, rot, schnell

Lesezeit: 3 min

Besonders Manager deutscher Hersteller geben den Kampf um freie Fahrt nicht auf. Sie fürchten um ein urdeutsches Verkaufsargument.

Von Markus Balser und Max Hägler

Wie sehr auch die Autoindustrie mit dem Thema Tempolimit ringt? Eine Messe machte das vor zwei Jahren klar. Gesprächsstoff des Autosalons in Genf sind eigentlich Autos wie das 911er-Cabrio von Porsche, der Bentley Speed oder der Mercedes AMG GLE 53 - Werbeslogan: "progressive Dominanz". Auch damals beleuchteten die Scheinwerfer schnelle Sportwagen. Doch dann sprengte der Volvo-Chef die Party.

In einem Interview ließ Håkan Samuelsson Sätze fallen, wie sie jedenfalls bei Herstellern der Luxusklasse keiner aussprechen mochte. Mehr als 180 Kilometer pro Stunde seien einfach nicht drin, kündigte er an. "Eine Geschwindigkeitsbegrenzung ist zwar kein Allheilmittel", sagt der Schwede, "aber es lohnt sich schon, wenn dadurch auch nur ein Menschenleben gerettet werden kann."

"Eine Art Gütesiegel für Qualität"

Seither wird die Frage des richtigen Tempos auch hierzulande in der Branche noch schärfer diskutiert. Bei deutschen Herstellern gilt die Sache auch vor der IAA in München als besonders brisant. Denn freie Fahrt genießen Fahrer weltweit ja eigentlich nur noch auf hiesigen Autobahnen. Trotzdem halten sie Teile der Branche auch andernorts für ein wichtiges Verkaufsargument. Daimler-Chef Ola Källenius bringt auf den Punkt, was viele denken: Sie sei auch eine "Art Gütesiegel für Qualität".

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) gibt sich angesichts der Forderungen nach einem generellen Tempolimit auf Autobahnen entsprechend skeptisch. "Wir halten davon nichts", heißt es bei VDA-Leuten. Eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung zur Verbesserung der Verkehrssicherheit sei nicht zielführend, lautet die offizielle Version des Verbands. Stattdessen plädiert er für gezielte Tempolimits an Unfallschwerpunkten.

Mercedes, Audi und BMW haben sich zwar schon auf ein Höchsttempo geeinigt - das aber liegt jenseits dessen, was normale Fahrer je erreichen. Auf mehr als 250 km/h lassen sich die Autos zumindest serienmäßig nicht beschleunigen; die Hersteller wollen ja auch das Können des Durchschnittsfahrers irgendwie beachten. Die Autos könnten schon "schneller fahren", sagt Daimler-Chef Källenius. Aber wer trainiert und es will, dem schalten die Hersteller frei, was sie als wirklich hohe Geschwindigkeit einschätzen: alles über 250 km/h.

Die Frage: Wofür stehen Autos aus Deutschland?

Das Beratungsunternehmen Kearney befragte im vergangenen Jahr weltweit 2500 Besitzer von Wagen der Premiumkategorie: Wofür stehen Autos aus Deutschland? Am häufigsten verbinden sie damit "Höchstgeschwindigkeit", gefolgt von "Autobahn". Der Tenor in den Interviews sei deutlich: "Ein Land, wo man so schnell fahren kann, wie man möchte, muss die besten Autos bauen." Für Kearney-Berater Chris Malorny ist deshalb klar: Das Premiumprodukt Auto, das so viel zur Wertschöpfung der Volkswirtschaft beitrage, brauche auch ein entsprechendes "Ökosystem".

Umweltexperten hingegen sagen: Viel entscheidender sei, ein ganz anderes Ökosystem zu schützen, nämlich das echte. Das Umweltbundesamt rechnet vor, dass sich mit Tempo 130 knapp zwei Millionen Tonnen Emissionen sparen ließen. Das sind zwar nur wenige Prozentpunkte der Verkehrsemissionen. Aber immerhin. Und es würde nicht mal etwas kosten.

Andere Experten bezweifeln, dass das Tempo das entscheidende Verkaufsargument für Premiumwagen bleibt. Bei Elektroautos würden ein starkes Ladenetz und digitale Angebote immer wichtiger, sagt etwa der Forscher Ferdinand Dudenhöffer. Auch Börsenanalysten teilen die Sorge der Autobranche nicht. Ein Tempolimit könne zu hitzigen Diskussionen führen, sagen die Finanzanalysten von Stifel Research voraus. "Aber letztlich werden die Auswirkungen auf die Autobauer begrenzt sein." Und so erklären in diesen Monaten viele aus der Industrie, was Audi-Chef Markus Duesmann schon offen ausspricht: "Ich freue mich nicht auf ein Tempolimit, aber ich glaube, dass es kommen wird."

Spezialisierte Reiseveranstalter mahnen deshalb schon zur Eile. 2990 Euro kostet etwa bei Epikdrives die Fünf-Tages-Tour mit einem Audi R8 Spyder V10. Von München aus geht es auf Umwegen mit viel Autobahnanteil nach Neuschwanstein. "Du glaubst, Du bist Lewis Hamilton?", wirbt die Reisefirma. "Gut, dann Willkommen in einem Land, in dem Du so schnell fahren darfst, wie Du willst." Aber man solle auch bei der Buchung schnell sein. Immer wieder habe es Versuche gegeben, ein Tempolimit einzuführen, erklärt der Anbieter. Bislang erfolglos. "Das könnte sich aber schnell ändern."

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