Motorradlärm:Volle Dröhnung

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Motorradfahrer auf idyllischer Landstraße. (Foto: P.Nowack/IMAGO/penofoto)

Bei schönem Wetter wird es an beliebten Motorradstrecken laut. Freundliche Bitten um Rücksicht an die Biker bleiben meist folgenlos. Die Stadt Bad Urach versucht es nun anders.

Von Max Ferstl, Stuttgart

Die Landesstraße 245 führt von Seeburg nach Hengen und gilt unter Motorradfans als Strecke für Feinschmecker. In geschwungenen Kurven windet sie sich die Hügel der Schwäbischen Alb hinauf, links und rechts Felsen, die den Sound der Motoren verstärken. Und der soll in den Ohren von Kennern ja so schön klingen wie Musik.

In den Ohren der Seeburger hingegen klingt das Dröhnen wie die Ankunft einer nahezu biblischen Plage, die alljährlich im Frühling über sie hereinbricht. Uwe Hölz wohnt direkt am Ortsausgang, also dort, wo die Motorradfahrer richtig Gas geben. Er sagt, dass er eigentlich gerne im Garten säße, "aber da verstehst du dein eigenes Wort nicht mehr". So laut sei das an schönen Tagen, "eine Katastrophe".

Mehr als 600 Motorräder sind es an vielen Tagen, so haben es Messungen ergeben. Einmal waren es sogar 1800. Deshalb hat die Stadt Bad Urach, zu der Seeburg gehört, in diesem Frühjahr ein Tempolimit speziell für Motorräder eingeführt und ein neues Schild aufgestellt. Bis September dürfen die Fahrer am Wochenende und an Feiertagen nur mit 50 an Uwe Hölz' Garten vorbeifahren.

Während sie in Seeburg also vorerst aufatmen, fragen sich Kommunalpolitiker andernorts, wie sie den Motorradlärm herunterdimmen können. In Baden-Württemberg haben Land und Kommunen vor vier Jahren eine Initiative gegründet, der inzwischen mehr als 150 Städte und Gemeinden angehören. Beliebte Strecken wurden exakt vermessen. Das Ergebnis: Jedes dritte Motorrad war lauter als 90 Dezibel - das entspricht einer handelsüblichen Kreissäge.

Viele Kommunen versuchen es mit Appellen. Dann stellen sie freundliche Schilder an den Straßenrand ("Bitte leise", "Rücksicht kommt an"), deren einziger Nachteil darin besteht, dass die Zielgruppe sie häufig ignoriert. Ein Tempolimit für Motorradfahrer, wie nun in Bad Urach, gilt da schon als vielversprechender. Auch Raser mögen keine Strafzettel.

Manchmal sehen sich Gemeinden allerdings zu radikalen Schritten gezwungen. So wie im südlichen Schwarzwald, wo der beliebte Randenaufstieg am Wochenende seit April teilweise gesperrt ist. Andere werden gleich ganz dichtgemacht - auch wenn die offizielle Begründung nicht immer Lärm ist, sondern das Unfallrisiko: Auf der Schauinsland-Strecke bei Freiburg dürfen schon seit 1984 zwischen April und November keine Motorräder am Wochenende fahren. Und in Oberbayern ist in diesem Sommer die Fahrt den Kesselberg hinauf zwischen 15 und 22 Uhr generell verboten.

Juristisch sind solche Einschnitte kompliziert. "Die Straßenverkehrsordnung hat die Leichtigkeit des Verkehrs als Grundsatz", sagt Elke Zimmer, Baden-Württembergs grüne Verkehrsstaatssekretärin. Die Gesundheit der Anwohner sei von nachgeordneter Priorität. Selbst den minimalinvasiven Eingriff von Seeburg - ein Tempolimit für 300 Meter - musste sich die Stadt hart erkämpfen. Sie musste beweisen, dass der Stadtteil ungewöhnlich stark belastet ist. Immer wieder gab es Messungen. Wie viele Fahrzeuge? Wie laut? Wie schnell? Erst als feststand, dass der Lärm nicht zumutbar ist, durfte sie das ersehnte Schild aufstellen.

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