Tempolimit:Im Graben zwischen Schwarz und Grün

Symbolbild zum Thema Tempolimit: Ein Verkehrsschild zur Tempobegrenzung auf 130 km/h steht in einem Depot der Autobahnm

Die geforderte Entschleunigung auf Autobahnen bleibt wohl weiter Theorie – und Deutschland ein Paradies für Raser.

(Foto: Florian Gaertner/imago)

Der Bundesrat stimmt über Tempo 130 ab. Doch eine Mehrheit für das Tempolimit auf Autobahnen ist noch in weiter Ferne.

Von Markus Balser und Michael Bauchmüller, Berlin

Im Umweltausschuss des Bundesrats war die Sache noch einfach - immerhin werden in zehn der 16 Bundesländer die Umweltressorts von Grünen gelenkt. Mit dem Ergebnis, dass es bei einer geplanten Änderung der Straßenverkehrsordnung, die vor allem Radfahrern nutzen soll, nun plötzlich auch um ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen geht. Oder um Vorarbeiten für Tempo 30 in den Städten. Oder um mehr Verkehrsberuhigung in der Nähe von Schulen und Kitas. Diesen Freitag aber steht eine harte Landung an: auf dem Boden der Koalitionstatsachen.

Denn wenn der Bundesrat sich mit Tagesordnungspunkt 50 befasst, dürften die meisten Forderungen aus dem Umweltausschuss abprallen. Stadtstaaten wie Berlin und Bremen sind für Regelungen wie das Tempolimit, doch wo die Grünen zusammen mit der Union regieren, sind die Koalitionen uneins. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung fassten die Landesregierungen in Baden-Württemberg und Hessen deshalb den Beschluss, den Plan nicht zu unterstützen - sie wollen sich im Bundesrat enthalten. So belegt der Versuch, über Änderungsanträge eine Revolution auf deutschen Autobahnen anzuzetteln, eher den Graben, der zwischen Union und Grünen in der Umweltpolitik verläuft. "Das meiste", so heißt es aus einem der beteiligten Länder, "versinkt im Meer der Enthaltung."

Kampflos freilich ging das nicht ab. Vorige Woche wandte sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) an seine Ressortkollegen in den Ländern. Mehr Tempo 30 in Städten, Tempo 130 auf der Autobahn, Anwohnerparkscheine für bis zu 240 Euro - alles Murks, ließ er sie freundlich wissen. Entsprechenden Änderungen sollten die Länder lieber nicht zustimmen, riet Scheuer. Rund um die Gebühren für Parkausweise setzte er sogar eine kleine Drohung hinzu: Sollte der Bundesrat den höheren Rahmen beschließen, führe es dazu, "dass die gesamte und intensiv vorbereitete sowie eingehend beratene StVO-Novelle mit all ihren positiven Regelungen nicht beschlossen werden könnte". Frei nach dem Motto: friss oder stirb.

Schon 2019 hat die Koalition zusammen mit FDP und AfD ein Tempolimit abgelehnt

Dagegen steht ein breites Bündnis aus Verkehrs- und Umweltverbänden, dass dieser Tage an den Bundesrat appellierte, für ein generelles Tempolimit auf Autobahnen zu votieren. "Der Bundesrat hat jetzt die Chance, für die Verkehrswende, den Klimaschutz und mehr Sicherheit auf unseren Straßen zu stimmen", heißt es darin. Dazu gehören Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe, der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Niedrigere Geschwindigkeiten auf Autobahnen könnten etwa jeden zweiten tödlichen und schweren Unfall vermeiden. Scheuer dagegen verweist in seinem Brief auf einen Bundestagsbeschluss aus dem Oktober: Da hatte die Koalition zusammen mit den Stimmen von FDP und AfD einen Tempolimit-antrag der Grünen abgelehnt. "Auch dies sollte bei Ihrer Positionierung im Bundesrat Berücksichtigung finden", empfahl der Bundesminister.

Doch nicht alle Änderungswünsche der Länder zielen auf Verschärfungen ab. So sieht der Gesetzesvorschlag des Bundes vor, dass Autofahrer außerorts künftig einen Mindestabstand von zwei Metern zu Radfahrern halten müssen, innerorts anderthalb Meter. Das soll knappe Überholmanöver verhindern und so Radfahrer schützen. Doch im Bundesrat gibt es Pläne, die beiden Mindestabstände noch durch ein klitzekleines "in der Regel" zu ergänzen. "Eine pauschale Abstandsfestlegung für Inner- und Außerorts erscheint nicht sachgerecht und realistisch zielführend", befanden die Innenminister. Es gebe Straßen, die dafür zu eng seien.

Verkehrsexperten warnen vor diesem Schritt. Denn dies würde die Regel aufweichen. Gerade außerorts könne eine unklare Vorgabe Unfälle provozieren, warnt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat. Dort würden Autos sehr viel schneller fahren als Radfahrer. Schon heute verunglücken über 40 Prozent aller getöteten Radfahrer außerhalb von Ortschaften - im Jahr 2018 bedeutete das 190 Opfer. Der Verkehrssicherheitsrat empfiehlt ohnehin, den Abstand am Tempo festzumachen. Bei Tempo 30 reichten innerorts 1,5 Meter, bei Tempo 50 aber müssten es zwei Meter sein. Sollte diese Mindestdistanz außerorts aufgeweicht werden, "wäre das ein fatales Zeichen".

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