Telefonat zwischen Obama und Rohani:33 Jahre Schweigen, 15 Minuten Reden

Unerwartete Annäherung: Das kurze Telefonat zwischen Irans Präsident Rohani und US-Präsident Obama über das umstrittene iranische Atomprogramm macht Schlagzeilen. Nach Jahrzehnten offener Feindschaft ist der Anruf aber tatsächlich eine Sensation - die von Rohani gut durchdacht ist.

Von Jakob Schulz

Telefonate zwischen Staatschefs sind meistens bedeutungsschwer. Wenn die mächtigsten Männer und Frauen der Welt zum Hörer greifen, geht es um Frieden oder Krieg, Vermittlungsversuche in letzter Sekunde oder Beileidsbekundungen. Ganz normaler Präsidentenalltag eben.

Bei manchen Telefonaten aber geht es einfach nur ums Reden. "Have a good day", "einen schönen Tag noch", sagte der iranische Präsident auf Englisch. "Khodahafez", "auf Wiederhören", antwortete der US-Präsident auf Persisch. Soeben hatten Hassan Rohani und Barack Obama 15 Minuten lang telefoniert und ihre Positionen über das iranische Atomprogramm erörtert. 15 Minuten Diplomatie, die in den 33 Jahren zuvor unmöglich erschienen waren.

Seit 1980 sind die Beziehungen zwischen Iran und den USA am Boden. In den vergangenen Jahrzehnten sprach man in Iran gerne von den USA als "großer Satan". Im Gegenzug sortierte Ex-Präsident George W. Bush Iran in die sogenannte "Achse des Bösen" ein. Streitpunkte gab es genug: Die iranische Führung monierte US-Einflussnahme und Boykotte, die USA zeichneten Schreckensbilder von Mullahs mit Atombomben. Diese Vergangenheit machte das erste Telefonat zwischen dem iranischen und amerikanischen Staatschef am Freitagabend in New York zu einem Meilenstein.

"Die pure Tatsache, dass dies die erste Unterhaltung zwischen einem Präsidenten der USA und des Iran seit 1979 war, unterstreicht das tiefe Misstrauen zwischen unseren Ländern", sagte Obama nach dem Telefonat. Das Misstrauen, das der US-Präsident ansprach, ist zumindest auf der iranischen Seite tief verwurzelt.

Von der CIA inszenierter Staatsstreich

1953 schickte sich der demokratisch legitimierte Regierungschef Mohammed Mossadegh an, die Erdölproduktion Irans zu verstaatlichen. Großbritannien und die USA fürchteten um das dringend benötigte Öl und ließen Mossadegh mittels eines durch den US-Geheimdienst CIA inszenierten Staatsstreichs stürzen. Es folgte ein Vierteljahrhundert Schah-Diktatur mit großzügiger Unterstützung der USA.

In diesen Jahren legten die Amerikaner den Grundstein für iranische Ressentiments. Die Erstürmung der amerikanischen Botschaft in Teheran und die darauf folgende 444-tägige Geiselnahme von US-Diplomaten machten dann auch die USA zu unversöhnlichen Feinden. Das erlebte Iran schmerzhaft im Krieg gegen Irak. Die Amerikaner unterstützten Saddam Husseins Angriffskrieg von 1980 bis 1988. Sie lieferten auch dann noch detaillierte Satellitenfotos von iranischen Stellungen, als Hussein schon Tausende iranische Soldaten mit Chemiewaffen vergaste.

Rohanis Kalkül

Es sind Erfahrungen wie diese, die Irans Führung in der Vergangenheit ihr Heil in der Atombombe suchen ließ. Hinzu kommt der Wunsch nach Hegemonie am Golf. Doch nicht nur Angst vor einem neuen Kolonialismus umtreibt das Land. Durch internationale Sanktionen ist die Ölförderung seit 2011 auf heute nur noch eine Million Barrel am Tag mehr als halbiert worden, die Inflationsrate liegt bei 40 Prozent. Gerade die Bevölkerung leidet unter der Wirtschaftskrise.

Beobachter vermuten, dass auch diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten den neuen iranischen Präsidenten Rohani zu seinem Kurswechsel gebracht haben. Rohanis am Freitag zu Ende gegangene New-York-Reise und sein Besuch bei der UN waren diplomatisch exzellent vorbereitet. Schon Wochen vor seiner Rede vor der UN waren aus Teheran überraschende Äußerungen zu vernehmen. Rohani distanzierte sich von seinem Vorgänger Ahmadinedschad und dessen Holocaust-Leugnungen. Er versprach, nicht nach Atomwaffen zu streben und ließ prominente Oppositionelle aus der Haft entlassen.

In den USA wird Rohanis diplomatische Offensive als sehr erfolgreich wahrgenommen. So lobte etwa Alec Ross, Berater unter der Ex-Außenministerin Hillary Clinton, die Bemühungen der iranischen Führung.

"Bedeutende Hindernisse"

Nach dem Treffen von US-Außenminister John Kerry mit seinem iranischen Kollegen Dschawad Sarif am Donnerstag ist Rohanis Telefonat mit Obama nun der vorläufige Höhepunkt der jüngsten iranisch-amerikanischen Annäherungen. Zwar warnte Obama nach dem Telefonat, dass es noch "bedeutende Hindernisse" für die Verhandlungen im Atomstreit gebe. "Aber ich glaube, dass wir eine umfassende Lösung finden können." Die Zeichen stehen damit nach der Übereinkunft bei den UN-Gesprächen mittelfristig auf Entspannung. Schon im Oktober sollen die Gespräche über Irans Atomprogramm wieder aufgenommen werden.

Bei den Vereinten Nationen hätte Rohani US-Präsident Obama auch persönlich treffen können. Doch aus einem Handschlag der Präsidenten wurde nichts. Rohani sagte das Mittagessen ab. Ein Treffen, so deutete der iranische Präsident später der New York Times zufolge an, sei verfrüht. Ein Hinweis darauf, dass ein Handschlag mitsamt Beweisfoto wohl nicht von allen Iranern mit Freude zur Kenntnis genommen worden wäre. Das wird der Grund gewesen sein, Obama statt dessen auf dem Weg zum Flugzeug über das Autotelefon anzurufen. Kein Händeschütteln, keine Fotos, kein Ärger.

Ein weiteres Indiz dafür könnte sein, dass nach dem Gespräch beide Seiten behaupteten, der jeweils andere habe die Initiative ergriffen. "Auf dem Weg zum Flughafen wurde uns mitgeteilt, dass Präsident Obama an einem kurzen Telefongespräch mit mir interessiert sei", wurde Rohani bei seiner Rückkehr nach Teheran zitiert. Die US-Sicherheitsberaterin Susan Rice hatte dagegen gesagt, die Initiative für das Telefonat sei von iranischer Seite ausgegangen.

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