Süddeutsche Zeitung

Teilzeit bei der Bundeswehr:Von der Leyen will mehr Soldaten als Stellen

185 000 Vollzeitstellen soll es bei der Bundeswehr künftig geben. Von der Leyen plant, dass mehr Männer und Frauen sich diese Stellen teilen. Über Teilzeitmodelle will sie die Truppe attraktiver machen.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) plant, die Anzahl der Bundeswehrsoldaten zu erhöhen. Dies beträfe einen zentralen Punkt der derzeit laufenden Bundeswehrreform, die mit dem Ziel begonnen wurde, die Anzahl der Soldaten auf 185 000 zu reduzieren.

"Die 185 000 Soldatinnen und Soldaten in der Zielstruktur sind als Vollzeitkräfte eingeplant. Das heißt nach Adam Riese, dass natürlich mehr Menschen diese Vollzeitstellen ausfüllen können, wenn ich etwa über Job-Sharing spreche", sagte von der Leyen dem Magazin Die Bundeswehr, das vom Deutschen Bundeswehrverband herausgegeben wird. "Die Wirtschaft macht uns seit vielen Jahren vor, was alles beim Thema Teilzeit geht und dass die Ergebnisse stimmen", so die Ministerin.

Ein Sprecher des Ministeriums bestätigte auf Anfrage, dass von der Leyen entsprechende Planungen in Auftrag gegeben hat. Er betonte, dass die Anzahl der Dienstposten gleich bleiben solle. Wenn man aber die Möglichkeiten für mehr Teilzeitarbeit schaffen wolle, sei es eine Notwendigkeit, dass sich mehr Menschen um die bestehenden Aufgaben kümmerten.

Auch das "Führen in Teilzeit" soll möglich werden

Vor einem Monat hatte von der Leyen dargelegt, wie sie die Bundeswehr künftig attraktiver für Bewerber machen will. Das Thema Teilzeit soll dabei von zentraler Bedeutung sein. Der Sprecher sagte, die Planungen bezögen sich auch auf die zivilen Mitarbeiter.

Momentan arbeiten etwa 1000 Soldaten und 10 000 Zivilbeschäftigte in Teilzeit. Künftig sollen Soldaten und Beamte auf einem Langzeitarbeitskonto Zeitguthaben ansparen können, wenn die Arbeitsbelastung hoch ist. Später sollen sie dieses Guthaben einsetzen können, für Kinderbetreuung, Pflege oder Freizeit. Von der Leyen will außerdem das "Führen in Teilzeit" fördern. Soldaten sollen in der Zeit, in der sie Anspruch auf Elternzeit haben, die Stundenzahl reduzieren können und weder an Auslandseinsätzen noch an Übungen teilnehmen müssen.

Darüber hinaus dürfte die geplante Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie die angespannte Personallage in der Bundeswehr noch verschärfen. Im Herbst soll es ein Artikelgesetz zur sogenannten Attraktivitätsagenda geben. Die Experten im Ministerium rechnen mit jährlichen Mehrkosten von etwa 300 Millionen Euro für das Gesamtpaket. Dabei können sich noch Veränderungen ergeben.

Jeder Sechste eines Jahrgangs müsste sich bei der Bundeswehr bewerben

In den vergangenen Jahren war immer wieder überlegt worden, ob die Bundeswehr nicht eher noch kleiner werden müsste, als mit der Reform angestrebt. Dabei ging es um finanzielle wie demografische Gründe. Nach Berechnungen des Verteidigungsministeriums muss sich künftig von den grundsätzlich geeigneten jungen Menschen eines Jahrgangs jeder oder jede Sechste bei der Bundeswehr bewerben. Dies ist ein wesentlicher Grund für von der Leyens Attraktivitätsprogramm.

"Die Evaluation der Neuausrichtung ist eine Chance, sowohl im militärischen, aber auch im zivilen Bereich noch einmal über die Kopfzahlen nachzudenken", sagte der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus der Süddeutschen Zeitung. "Bisher ist noch nicht erkennbar, wie die Bundeswehr auf familienbedingte Abwesenheiten und Teilzeitbeschäftigung reagieren möchte."

Die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger hingegen kritisierte die Ministerin: "Von der Leyen stellt die Gesamtgröße der Bundeswehr, das Fundament der Reform, einfach mit einem Nebensatz infrage, um sie ihrer Attraktivitätsagenda anzupassen." Man brauche "ein schlüssiges Personalkonzept".

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SZ vom 05.07.2014/ipfa
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