Süddeutsche Zeitung

Teilräumung des "Dschungels" in Calais:Radlader roden den "Dschungel" von Calais

Die Polizei räumt einen Teil des Flüchtlings-Slums an der französischen Kanalküste. Die Bewohner wehren sich mit verzweifelten Mitteln.

Mit Radladern gegen Zelte: Seit dem frühen Morgen gehen die Abrissarbeiten im südlichen Teil des "Dschungels" von Calais weiter. Am Montag haben sie begonnen - knapp eine Woche später als eigentlich geplant. Hilfsorganisationen hatten gegen die geplante Räumung der "Zone Sud" des Flüchtlings-Slums an der französischen Kanalküste protestiert. Erst Ende vergangener Woche billigte ein Gericht das Vorgehen.

Der Abriss findet unter massivem Polizeischutz statt, bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und eisigem Wind. Nach offiziellen Angaben sind etwa 1000 Flüchtlinge von der Räumung betroffen. Sie sollen in beheizten Containern oder anderen Flüchtlingsunterkünften untergebracht werden, wo sie Asylanträge stellen können. Genau das will die Mehrheit der Flüchtlinge nicht - fürchten sie doch, damit endgültig ihre Chance auf Asyl in Großbritannien zu verlieren, so klein diese auch sein mag. Die meisten Bewohner des Dschungels hoffen, per Schiff oder Lkw über den Ärmelkanal zu gelangen.

Hilfsorganisationen schätzen die Zahl der betroffenen Menschen deutlich höher ein. Diese Frau gibt die Bewohnerzahl des Südteils des Dschungels mit 3455 an - darunter 145 Familien und 445 Kinder.

Soziale Einrichtungen wie Schulen oder Kirchen sollen nicht abgerissen werden. Auf dieser Tafel ist der Stundenplan einer Schule zu erkennen, mit unterschiedlichen Angeboten für Kinder und Jugendliche.

Was vom Abriss übrig bleibt: Zwei vermummte Männer durchstreifen das Lager nach der Räumung. Diese legt offen, unter welchen Bedingungen die Menschen hier gelebt haben - und im restlichen Teils des Dschungels noch immer leben. In selbstgebauten Zelten und Hütten schlafen sie auf Holzpaletten.

Mit verzweifelten Maßnahmen wehrten sich einige Bewohner des Dschungels gegen die Räumung. Dutzende flüchteten sich auf die Dächer ihrer Behausungen, eine Frau drohte, sich selbst zu verletzen. Sie wurde schließlich von der Polizei vom Dach geholt. Zwei Flüchtlinge wurden festgenommen. Dennoch verlief der zweite Tag des Abrisses ruhig, verglichen mit dem Vortag.

Der Beginn der Abrissarbeiten am Montag war von teils schweren Unruhen überschattet. Protestierende zündeten mehrere Hütten an, 150 Flüchtlinge, manche mit Eisenstangen bewaffnet, stürmten den Hafenzubringer, der direkt am "Dschungel" vorbeiführt.

Elf Polizisten seien durch Wurfgeschosse leicht verletzt, drei Protestierer festgenommen worden, teilten die Behörden mit. Zwei von ihnen waren am Dienstag noch in Polizeigewahrsam. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich um eine Deutsche und einen Briten.

Die Polizei setzte Wasserwerfer ...

... und Tränengas gegen die Demonstranten ein.

Die französische Regierung wirft der Aktivistengruppe No Borders vor, die Proteste geschürt zu haben. "Die Aktionen einer Handvoll extremistischer und gewaltbereiter Militanter wird die Räumung nicht verhindern", sagte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve. "Die Operation wird in den kommenden Tagen fortgesetzt, behutsam und methodisch."

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