Teilmobilmachung:Hier kein Einlass

Teilmobilmachung: Auch am Wochenende noch lange Staus: Übergang an der russisch-finnischen Grenze.

Auch am Wochenende noch lange Staus: Übergang an der russisch-finnischen Grenze.

(Foto: Igor Petrov/IMAGO/SNA)

Die EU-Staaten streiten darüber, ob sie russischen Kriegsdienstverweigerern Einreise-Visa erteilen sollen.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Die Europäische Union will an diesem Montag darüber beraten, wie sie mit russischen Staatsbürgern umgehen soll, die sich der Einberufung zum Kriegsdienst durch Flucht in die EU entziehen wollen. Die EU-Ratspräsidentschaft hat dazu am Vormittag ein Treffen der 27 Botschafter der Mitgliedsländer anberaumt. Diplomaten zufolge geht es zunächst darum, auszuloten, wo die Regierungen stehen. Aus Ratskreisen hieß es, dass das Thema "kontrovers" sei.

Wie kontrovers, konnte man in den vergangenen Tagen bereits daran erkennen, wie einzelne EU-Staaten das Thema kommentiert oder angepackt haben. Während in Deutschland Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) signalisierten, dass die Bundesregierung grundsätzlich zur Aufnahme russischer Deserteure bereit sei, verschärften ost- und nordeuropäische EU-Mitglieder, die Grenzen zu Russland haben, die Einreiseregeln für Bürger aus dem Nachbarland. Zunächst erklärten Polen sowie die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, dass sie keine russischen Bürger mit Kurzzeit- oder Touristenvisa mehr einreisen lassen würden, auch wenn diese Visa von anderen EU-Staaten des Schengen-Gebiets ausgestellt worden seien. Am Freitagabend schloss sich Finnland dieser Entscheidung an.

Hintergrund ist die Teilmobilmachung, die der russische Präsident Wladimir Putin vorige Woche verkündet hat. Die russische Armee will demnach 300 000 Reservisten einziehen, um die Verluste an der Front in der Ukraine auszugleichen und dort wieder in die Offensive zu kommen. Hunderte, vielleicht Tausende Russen versuchen seither, ihr Land zu verlassen. Auf dem direkten Landweg können Russen die Europäische Union allerdings nur noch über das Baltikum und Finnland oder via Kaliningrad über Polen erreichen. Andernfalls müssen sie in andere Staaten fliegen, zum Beispiel in die Türkei, und von dort weiterreisen.

EU-Ratspräsident Charles Michel ist dafür, russischen Deserteuren Asyl zu geben

Russische Bürger, die vor dem Kriegsdienst fliehen, haben in jedem Fall das Recht, an einer EU-Außengrenze einen Antrag auf Asyl zu stellen. Ob, wie und mit welchen Folgen sie davon in der Praxis Gebrauch machen können, ist jedoch unklar. Einige baltische Regierungen haben angekündigt, russischen Deserteuren keinen Asylschutz gewähren zu wollen. Deutschland dagegen hat die Flucht vor dem Kriegseinsatz als Asylgrund offiziell festgeschrieben. Auch EU-Ratspräsident Charles Michel ist dafür, russischen Deserteuren Asyl zu geben. Voraussetzung dafür ist aber, dass diese Personen sich zu einer EU-Außengrenze durchschlagen und dort um Schutz nachsuchen - so wie es in den vergangenen Jahren Millionen Flüchtlinge aus aller Welt versucht haben.

Noch umstrittener dürfte unter den EU-Ländern die Frage sein, ob Europa die Einreise russischer Wehrdienstverweigerer durch die Vergabe von Visa erleichtern oder gar fördern solle. Einzelne Länder könnten entscheiden, dies durch die Ausgabe von humanitären Visa zu tun. Schengen-Touristenvisa werden Russen künftig dagegen in der Regel nur noch Zugang zur EU verschaffen, wenn diese Personen per Flugzeug ankommen. Der Landweg wird mehr und mehr versperrt.

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