Ampelkoalition:Fracking, Atomkraft und Verbrennungsmotor

Ampelkoalition: Auf der Suche nach den Freiheitstechnologien: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, hier beim Dreikönigstreffen der Partei Anfang des Monats.

Auf der Suche nach den Freiheitstechnologien: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, hier beim Dreikönigstreffen der Partei Anfang des Monats.

(Foto: Jean MW/Imago)

Wenn die FDP "Technologieoffenheit" sagt, meint sie in der Regel Dinge, die bei den Grünen starkes Unwohlsein auslösen. So geht das Pingpongspiel zwischen den ungleichen Parteien weiter.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Den ersten Aufschlag hat der Parteichef selbst gemacht: Beim Dreikönigstreffen der FDP forderte ein gut aufgelegter Christian Lindner in der Stuttgarter Oper, dass Deutschland, "dieses Land der Ingenieure und Techniker", jetzt ein "Technologiefreiheitsgesetz" brauche. Damit "all das, was möglich ist, auch bei uns entwickelt werden kann". Der grüne Koalitionspartner in Berlin dürfte schon da hellhörig geworden sein. Denn wenn die FDP "Technologieoffenheit" sagt, meint sie in der Regel auch solche Technologien, die bei den Grünen starkes Unwohlsein auslösen.

Und tatsächlich: Am Montag dieser Woche stellten FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und seine Parteikollegin und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger einen neuen Präsidiumsbeschluss vor. Der Titel: "Ein Technologiefreiheitsprinzip gesetzlich verankern." Der Inhalt: gleich mehrere rote Tücher für die Grünen.

Und immer wieder die berühmten "E-Fuels"

So will die FDP nun auch offiziell eine Expertenkommission über eine Laufzeitverlängerung der verbliebenen Atomkraftwerke über den 15. April hinaus entscheiden lassen; denn "kurzfristig" gehöre die Kernkraft zur Sicherung der Energieversorgung dazu. Für die Zukunft wiederum sollen "die Chancen der Kernfusion" in Deutschland "vollumfänglich" genutzt werden; auch zu Mini-Atomkraftwerken wollen die Liberalen zumindest forschen lassen.

Offenheit wird ebenfalls beim heimischen Erdgas verlangt. Insgesamt gebe es "mehr als 32 Milliarden Kubikmeter Erdgasreserven" in Deutschland, etwa in der Nordsee und in Niedersachsen. "Dieses heimische Potenzial müssen wir nutzen", heißt es in dem Papier, "auch durch Fracking". Bei dieser Fördermethode wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in tiefes Gestein gepresst, wodurch Risse entstehen, durch die das Gas ausströmen kann. Das ist aktuell in Deutschland verboten, die FDP will das Verbot aber aufheben. Die Grünen jedoch lehnen Fracking beinahe ebenso leidenschaftlich ab wie die Atomkraft.

Von dem in dem Beschluss wiederholten FDP-Wunsch nach einer Zukunft für den Verbrennungsmotor via E-Fuels halten die Grünen ebenfalls wenig. Vertrackter für sie aber ist die Forderung, die unterirdische Speicherung von abgeschiedenem CO₂ aus Industrieprozessen (CCS) zu erlauben. Kürzlich erst hat der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck in Norwegen besichtigt, wie das funktionieren kann; Klimaexperten halten CCS für notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Die FDP will diese Technologie nun auch hierzulande im industriellen Maßstab kurzfristig zulassen. Man dürfe sich nicht "auf andere Länder verlassen, wie zum Beispiel Norwegen". Die Grünen allerdings waren in der Vergangenheit stets gegen CCS in Deutschland gewesen.

Die einen fordern, die anderen verlangen

In der FDP heißt es, die eigenen Vorstöße seien rein inhaltlich begründet; es gehe nicht darum, den Koalitionspartner zu quälen. Umgekehrt nehmen die Grünen das für sich natürlich auch in Anspruch. Trotzdem setzt es sich aktuell fort, dass Grüne und Liberale sich auf mehreren Politikfeldern frontal gegenüber und im Weg stehen. Die Bälle fliegen wie beim Tischtennis hin und her, nach dem Motto: Den nächsten kriegst du nicht!

Die einen fordern CCS und Fracking im eigenen Land (Ping), die anderen wollen Straßen von der Planungsbeschleunigung ausnehmen und Biokraftstoffe aus Pflanzen verbieten (Pong). Die einen fordern, die Sektorziele beim Klimaschutz aufzugeben (Ping). Die anderen verlangen von FDP-Verkehrsminister Volker Wissing, seine Sektorziele endlich zu erfüllen (Pong).

Wenn an diesem Donnerstag der Koalitionsausschuss tagt, gibt es also einiges zu besprechen. Schließlich bereitet das Gremium laut Koalitionsvertrag "die Leitlinien der Arbeit der Koalition" vor.

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