Technischer Defekt:Der Irrweg der "Konrad Adenauer"

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Köln/Bonn statt Buenos Aires: Angela Merkel verlässt unverrichteter Dinge die Luftwaffenmaschine "Konrad Adenauer". (Foto: Jörg Blank/AFP)

Es ist nicht wirklich beruhigend, wenn die Flugbereitschaft nachher versichert, die Lage sei immer unter Kontrolle gewesen: An Bord der Regierungsmaschine von Berlin nach Buenos Aires.

Von Robert Roßmann, Bonn

Es ist kurz vor 20 Uhr, als überraschend eine Stewardess in dem kleinen Besprechungszimmer der Konrad Adenauer auftaucht und klar wird, dass auf dieser Reise etwas aus dem Ruder läuft. Die Regierungsmaschine ist eine Stunde zuvor in Berlin gestartet - die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister haben sich gerade mit Journalisten zusammengesetzt, um über den G-20-Gipfel in Buenos Aires zu reden. Der Raum in dem Regierungsflugzeug ist eigentlich zu klein für die Runde, ein Journalist sitzt am Boden, zwei andere hocken auf den Klapptischen. Auf einem Bildschirm kann man erkennen, dass die Konrad Adenauer gerade über die Niederlande fliegt. Man hat theoretisch keine Eile, bis Argentinien sind 15 Stunden Flugzeit vorausberechnet.

"Frau Bundeskanzlerin, können Sie bitte mal rauskommen", sagt die Stewardess. Merkel zögert einen Moment, aber als die Stewardess ein "Es ist wichtig!" hinterherschiebt, steht die Kanzlerin doch auf. Es dauert etwas, bis sie wiederkommt. Dann ist klar, dass der G-20-Gipfel in Argentinien ohne die Kanzlerin aus Deutschland beginnen wird. Es gebe ein technisches Problem am Flugzeug, sagt Merkel. Man müsse in Köln landen. Wie es dann weitergehe, sei noch unklar.

Die Kanzlerin nimmt es mit Humor: "It's very sad, German Air Force don't fly!"

Für die Deutschen ist das eine Schmach. Monatelang haben sich Merkels Leute auf das G-20-Treffen vorbereitet, und jetzt verpasst die Kanzlerin einen Gutteil des Gipfels. Fünf Stunden später wird die Kanzlerin in einem Bonner Hotel auf die Frage, was Donald Trump in Buenos Aires wohl zu all dem sagen werde, scherzen: "It's very sad, German Air Force don't fly." Aber noch ist die gesamte deutsche Reisegesellschaft im Flugzeug.

Es dauert an Bord eine halbe Stunde, bis sich auch der Kommandant meldet. Er sagt durch, dass die Maschine umdrehen müsse. Wegen des technischen Problems seien "einige elektronische Systeme" im Flugzeug ausgefallen. In diesem Zustand könne man mit der Maschine nicht über den Atlantik fliegen. Man sei deshalb auf dem Weg nach Köln, dort stehe eine Ersatzmaschine bereit.

Gegen 21 Uhr landet die Konrad Adenauer dann in Köln. An der Landebahn warten sicherheitshalber ein halbes Dutzend Feuerwehrfahrzeuge. Da das Flugzeug noch fast das gesamte Kerosin für den Langstreckenflug nach Argentinien an Bord hat, musste es Bremsen und Fahrwerk wegen des erheblichen Gewichts stark beanspruchen. Die Feuerwehr soll prüfen, ob es dabei zu einer gefährlichen Überhitzung gekommen ist. Das dauert. In der Zeit wird klar, dass die Reisegesellschaft doch nicht mit der Ersatzmaschine weiterfliegen kann - es fehlt an einer einsatzbereiten Crew. Es gibt eine Planänderung: Alle sollen nach Bonn fahren und dort in einem Hotel übernachten. Merkel, ihr Vizekanzler Scholz und ein kleiner Teil der Delegation wollen dann Freitagfrüh mit einer kleinen Regierungsmaschine nach Madrid fliegen und sich von dort mit einem Linienflug von Iberia weiter nach Buenos Aires durchschlagen. Die restliche Reisegruppe muss die Fahrt nach Argentinien dagegen abbrechen.

Es ist deutlich nach 22 Uhr an diesem Donnerstagabend, als die Feuerwehr den Passagieren der Konrad Adenauer dann endlich erlaubt, die Maschine zu verlassen. Mit zwei Bussen geht es nach Bonn ins Maritim-Hotel. Im leeren "Restaurant Rotisserie", dem Frühstücksraum des Hotels, gibt es Schnittchen und Getränke. Merkel, ihr Mann Joachim Sauer, Scholz und zwei, drei andere Mitglieder der Delegation ziehen sich in eine Ecke zurück. Lagebesprechung, etwas trinken und essen. Um ein Uhr morgens bricht die Kanzlerin Richtung Hotelbett auf. Der Defekt an dem Flieger sei "eine ernsthafte Störung" gewesen, sagt sie beim Gehen. Glücklicherweise sei eine exzellente Crew mit dem erfahrensten Kapitän der Flugbereitschaft an Bord gewesen.

Zur Art der Störung sagt Merkel jedoch nichts. Dafür macht sie ihren Trump-German-Air-Force-Scherz. Keine vier Stunden später muss die Kanzlerin das Hotel schon wieder verlassen, um 5.30 Uhr startet ihr Flieger nach Spanien - und um neun Uhr die Linienmaschine in Madrid. Sie erreicht damit zumindest noch das Abendessen der Staats- und Regierungschefs in Buenos Aires. Joachim Sauer dagegen verzichtet auf die Weiterreise.

In Deutschland geht es derweil um die Frage, was genau die Ursache des Flugzeugausfalls war. Es ist nicht das erste Problem der Konrad Adenauer. Im Oktober war sie bei einer Dienstreise von Olaf Scholz in Bali wegen eines Defekts liegen geblieben. In dem Bonner Hotel muss sich Scholz deshalb Frotzeleien gefallen lassen, ob es an ihm liege. Immer, wenn er in der Maschine sei, bleibe sie liegen. Aber so lustig ist der Vorfall nicht.

Schnell heißt es, die gesamte Funkanlage des Flugzeugs sei ausgefallen, der Pilot habe deshalb mit einem Satellitentelefon Kontakt mit den Fluglotsen halten müssen. Regierungssprecher Steffen Seibert, der auch an Bord der Maschine war, will dazu in der Bonner Nacht aber keine Angaben machen. Zu technischen Details und zur Fehleranalyse müssten sich die Flugbereitschaft und das Verteidigungsministerium äußern, sagt er.

Das tun Flugbereitschaft und Ministerium am Freitagvormittag. Der Ausfall einer elektronischen Verteilerbox sei die Ursache gewesen, sagt der Kommandeur der Flugbereitschaft, Oberst Guido Henrich. Die Box gilt als Herzstück der Flugzeugelektronik. An ihr hingen unter anderem der Funk und die Anlage, über die Sprit abgelassen werden könne, sagt Henrich.

Wegen des Ausfalls der Funkanlage sei die Kommunikation mit dem Boden tatsächlich nur noch über Satellitentelefone an Bord möglich gewesen. Diese Verteilerbox sitze "sehr tief im System und ist für die Notversorgung des Stroms an Bord verantwortlich". Normalerweise sei "das System redundant ausgelegt, schaltet selbständig um". Das sei aber nicht mehr passiert. Dadurch seien "sehr viele Anzeigen ausgefallen". Außerdem habe das Flugzeug deshalb keinen Treibstoff ablassen können. Die Situation sei aber immer unter Kontrolle gewesen.

Die Konrad Adenauer ist ein Airbus A 340-300. Die Maschine wurde 1999 gebaut und 2011 von der Luftwaffe übernommen. Sie ist also fast 20 Jahre alt. Und so dürfte wegen der Panne erneut eine Debatte beginnen, ob die Bundesregierung nicht modernere Flugzeuge braucht.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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