Öffentlicher Dienst:Mehr Geld für Pfleger, Müllwerker und Erzieher

Lesezeit: 3 Min.

Weiter Weg bis zum Ziel: Nancy Faeser (SPD), geschäftsführende Bundesministerin für Inneres und Heimat, kommt zum Kongresshotel zur Fortsetzung der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes des Bundes und der Kommunen. (Foto: Carsten Koall/dpa)

Nach einer kräftezehrenden Tarifrunde mit vielen Streiks steht der neue Abschluss im öffentlichen Dienst. 2,6 Millionen Angestellte von Bund und Kommunen bekommen höhere Löhne – und zwar 5,8 Prozent in zwei Stufen.

Von Benedikt Peters, München

Die 2,6 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen bekommen mehr Geld. Die Gehälter steigen in zwei Stufen um insgesamt 5,8 Prozent, so geht es aus dem neuen Tarifvertrag hervor, auf den sich Gewerkschaften und Arbeitgeber am Sonntag in Potsdam einigten. „Wir haben einen Tarifabschluss erreicht, der in schwierigen Zeiten einen guten Ausgleich bringt“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die für den Bund verhandelte. Verdi-Chef Frank Werneke sprach von einem „schwierigen Ergebnis in schwierigen Zeiten“.

Damit dürfte der Verdi-Chef einerseits auf die langwierigen Verhandlungen anspielen: Seit Ende Januar hatten sich Gewerkschaften und Arbeitgeber zunächst dreimal zu mehrtägigen Gesprächen getroffen, dabei gab es aber kaum Fortschritte. Die Tarifrunde stand mehrfach vor dem Scheitern, ehe eine Schlichtungskommission übernahm. „Schwierig“ wird der Verdi-Chef aber auch manche Bestandteile des neuen Tarifvertrags finden.

Die wöchentliche Höchstarbeitszeit wird aufgeweicht

Das gilt zwar vermutlich nicht für die vereinbarte Gehaltserhöhung von 5,8 Prozent in zwei Stufen: Die Löhne steigen demnach rückwirkend zum 1. April zunächst um drei Prozent beziehungsweise um 110 Euro in den Entgeltgruppen, bei denen eine Erhöhung um drei Prozent weniger ausmachen würde. Die zweite Stufe folgt dann ab 1. Mai 2026, dann gibt es weitere 2,8 Prozent. Außerdem steigen die Zulagen für Schichtarbeit im öffentlichen Dienst auf bis zu 250 Euro. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrages soll 27 Monate bis Ende März 2027 betragen.

Beim zweiten wichtigen Thema dieser Tarifrunde, der Arbeitszeit, mussten die Gewerkschaften – neben Verdi verhandelte für die Arbeitnehmerseite auch der Deutsche Beamtenbund – allerdings Zugeständnisse machen. Die Beschäftigten erhalten zwar ab dem Jahr 2027 einen zusätzlichen Urlaubstag und mehr Möglichkeiten, Teile ihres Gehalts, zum Beispiel die Jahressonderzahlung, in zusätzliche freie Tage einzutauschen.

Im Gegenzug aber mussten die Gewerkschaften einer Regel zustimmen, welche die wöchentliche Höchstarbeitszeit im öffentlichen Dienst – üblich sind 39 Stunden – aufweicht.  Künftig sind 42 Stunden pro Woche möglich, allerdings nur auf freiwilliger Basis und zeitlich befristet. Für die Zusatzstunden soll es Zuschläge von bis zu 25 Prozent geben. Manche Gewerkschaftsmitglieder sehen das kritisch und befürchten einen Einstieg in generell längere Arbeitszeiten, weshalb Verdi-Chef Werneke betont, dass niemand gedrängt werden könne, mehr zu arbeiten. Die Regel sei zunächst auf fünf Jahre angelegt und werde „rechtzeitig vorher in ihrer Wirkung überprüft“.

Die Verhandlungsführerin der kommunalen Arbeitgeber, die Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD), sieht die Regelung deutlich positiver. „Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels bieten wir mit diesen flexiblen Arbeitszeitmodellen attraktive Optionen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, ließ sie nach den Verhandlungen mitteilen. Nach Angaben des Beamtenbunds sind im öffentlichen Dienst derzeit etwa 570 000 Stellen nicht besetzt, zudem gehen in den kommenden Jahren viele Beschäftigte in Rente.

Hoch verschuldete Gemeinden fürchten noch mehr Kosten

Mit dem Fachkräftemangel hatten auch die Gewerkschaften in der laufenden Tarifrunde argumentiert; angesichts der hohen Teuerungsraten der vergangenen Jahre brauche es dringend weitere Gehaltssteigerungen und mehr „Arbeitszeitsouveränität“, damit für den öffentlichen Dienst mehr Personal gewonnen werden könne.

Die Arbeitgeber hatten dem entgegengehalten, die Forderungen seien zu kompliziert und zu teuer. In mehreren Regionen, etwa in Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, sind viele Gemeinden hoch verschuldet. Bei weiteren Gehaltssteigerungen fehle womöglich das Geld, um öffentliche Gebäude zu sanieren oder kommunale Angebote wie den Betrieb von Schwimmbädern oder Musikschulen zu finanzieren, hieß es. Diese Stimmen wurden allerdings leiser, nachdem die wahrscheinliche nächste Koalition aus Union und SPD ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro angekündigt hatte, von dem auch die Kommunen profitieren sollen.

Während der zähen Tarifrunde hatte Verdi zu zahlreichen Warnstreiks aufgerufen:  Kitas blieben zu, Busse fuhren nicht, es kam zu einem bundesweiten Pflegestreik in Heimen, Krankenhäusern und Psychiatrien. Am 9. und 10. März ließ die Gewerkschaft zudem die Flughäfen in zahlreichen Städten bestreiken, nach einer Schätzung des Flughafenverbands ADV fielen mehr als 3500 Flüge aus, rund 560 000 Passagiere waren betroffen.

Nach dem Scheitern der dritten Verhandlungsrunde Mitte März schließlich riefen die Arbeitgeber die Schlichtung an; nach einer knappen Woche Arbeitszeit legte die zuständige Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und des früheren Bremer Staatsrats Hans-Henning Lühr (SPD)  einen Kompromissvorschlag vor. Dieser bildet die Basis der Einigung.

Während die Beschäftigten nun also erneut mehr Geld erhalten – der jüngste Tarifabschluss mit Lohnsteigerungen von durchschnittlich zwölf Prozent hatte bereits weite Teile der hohen Inflation der vergangenen Jahre ausgeglichen – dürften sich zumindest manche von ihnen zugleich um ihren Job sorgen. Die Union liebäugelt mit Einsparungen im öffentlichen Dienst des Bundes. Die Rede ist davon, dass zukünftig 15 Prozent der dortigen Stellen wegfallen könnten, um Kosten zu senken. Ob es wirklich so kommt, wird man wissen, wenn der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD steht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Öffentlicher Dienst
:„Die Kassen sind leer“

Viele Gemeinden sind hoch verschuldet. Dennoch fordern die Gewerkschaften deutlich mehr Geld für Pfleger, Erzieherinnen und andere Beschäftigte. Mitten im Wahlkampf muss sich Deutschland auf einen heftigen Konflikt einstellen.

Von Benedikt Peters, Alexander Hagelüken

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: